Die Braut

Von Rogi Usarsa dem Zweiten:

An meine unkonventionelle Lou Montez Colita

Wer einer Dame Gunst zu gewinnen versucht, pflegt ihr zumeist mit solchen Dingen, finanziert aus seinen monetären Mitteln, zu nahen, von denen man meint, dass Ihrer vornehmen Dame Herz an ihnen am meisten Vergnügen findet, sodass es sich ihm öffnet. So überreicht ein Edelmann ihr Pferde, edle Steine, Schmuck, Blumen und ähnliche Preziosen, Ihrer Noblesse ebenbürtig, zum Geschenk. Jetzt ist es hoch nun an der Zeit[1], dass auch ich ein solches Zeugnis meiner Devotion zu Euch abgebe. Gedrungen von dieser Notwendigkeit in Anbetracht des Euch bald Bevorstehenden, suchte ich in meinen Besitzungen nach Dingen von Wert für Euch, doch ließ sich nichts finden, was mehr von Signifikanz und Nützlichkeit sein könnte als meine Erkenntnisse über das Geschlechtsleben bedeutsamer oder zeitgenössischer Menschen, wie ich sie in langem Studium der Historie und durch eigene Praxis nimmermüd gesammelt habe. Lange nachgesonnen, geprüft und bewogen habe ich sie Euch nun zusammen in einen kleinen Band gebracht, auf dass dieser der Madame meines Herzens zu einer weisen Entschließung verhelfen möge. Ihr bedürft selbstredend weder Ratschläge noch Empfehlungen und so erkenne ich wohl, dass meine unzulängliche Gabe ohne Wert für Euch scheint; doch vertraue ich auf Eure Milde und möge großherzig bedacht werden, da es mir nicht möglich war, ein stattlicheres Geschenk zu machen, als die mit Mühsal erworbenen Kenntnisse.

Damit mein schmerzvoll Erfahrenes und mühevoll Gesammeltes Euch eilends von Gebrauch und vorzüglich von Nutzen sein kann, habe ich meine Worte nicht geschmückt in blumigen Gewändern oder mit hohlen Plattitüden. Meine Worte sollen nicht besser dastehen als es ihnen an Substanz zukommt. Die Beschwer um Schein wäre ein Aufwand bloß des schnellen Gefallens wegen, doch lasst Ihr Euch weder täuschen von Euphemismen noch blenden Euch phänomenale Fassaden; Ihr seht, was von innerem, wahrem Wert ist. Den wahren Wert will ich auch stets enthüllen und auch jeder Anlehnung oder auch jedem Hintergedanken den falschen Schein entreißen. Des Pudels Kern[2] soll Euch offen dargeboten sein, vermögt Ihr es doch, auch geschickteste Täuschungen wie Verrichtungen von dummen Buben aussehen zu lassen. So fahre ich fort, ohne Euch zu beleidigen, und stehe ohne Blendwerk oder Gaukelei vor Euch.[3]

Auch spreche ich in meiner Sprache, die mir zu eigen ist, da ich – Ihr habt von meinen Wirrungen bereits genug gehört – mich den sprachlichen Feinheiten und Konventionen dieser Tage noch nicht gelungen anpassen konnte; doch werde ich einigen Aufwand und einige Mühen von meiner Zuneigung zu Euch sprechen lassen und so doch geringstenfalls einen Passus in dem Akzent dieser heutigen Zeit darbieten. Ebenso mögt Ihr vergeben, dass nicht ein geringfügiger Teil dieses Werkes von Beispielen aus alten Tagen handelt, da doch vor unserer ersten Begegnung am 24.122, vor 20 Tagen, mir nur etwa 300 Tage mit Verstand in dieser für mich neuen Welt vergönnt waren. Was Euch 23.832 ist, war mir der 01. April 2065 gewesen. So spreche ich also vom heutigen Tage als dem Freitag, obgleich ich mir der Sinn- oder Bedeutungslosigkeit dieser Begriffe hier und heute klar bin. Meine Worte sind alt, ihr Sinn scheint obsolet, und doch steckt in ihnen allerhand Bedeutung.

Nehmt also mein Werk so an und lasset es Euch von dem erhofften Nutzen sein. Lest es eifrig und bedenkt meine Worte, so lautet meine Bitte. Dies soll Euch sodann zu dem Lebensglück gereichen, zu welchem Eure Talente und die gute Geburt schon den Grundstein legten. Schreitet durch die Tore, die Euch offen sind. Die Toren, die Euch nicht nützlich sind, erkennet Ihr mit Eurer Weisheit und etwas von meinem Rat, wo er von Nutzen sein darf – auf dass unsere Bekanntschaft gerade noch zur rechten Zeit gekommen ist.[4]

Rogi Usarsa Annuki, den 24.142 NZ

Inhaltsverzeichnis

Von den Formen der Beziehungen

Alle Beziehungen zwischen erwachsenen Menschen, die von der erotischen Liebe getragen sind oder wurden, und in denen die Magie der Sexualität Macht über Menschen haben oder hatten, waren und sind entweder ordinäre oder unkonventionelle Beziehungen. Zwischenmenschliche Beziehungen ohne eine erotische oder fleischliche Komponente will ich hier beiseitelassen und mich denen bei einer anderen Gelegenheit widmen.

Von den unkonventionellen Beziehungen

Auch von der näheren Erörterung der unkonventionellen Formen der Beziehung sehe ich hier ab, da sie mich weder in meiner Vergangenheit noch in meinen nahen Plänen für Euch berühren. Doch will ich kurz erläutern, welche Arten vorkamen und vorkommen:

Die Welt der Menschen wird von ihnen selbst mit großer Vorliebe geteilt – nach einfachen Mustern, um einfache Gemüter nicht zu überfordern – in je zwei Ausprägungen. Man teilt Menschen ein in Frauensperson und Mannspersonen. Man gibt dem Weiblichen Assoziationen wie Schönheit, Emotionalität, eine höhere Stimme, eine sanftere Erscheinung, Begehrtsein, Passivität, Zurückhaltung und Rundungen des Körpers wie ein voller Busen. Und dem Männlichen werden Assoziationen wie Stärke, Sportlichkeit, tiefe Stimme, harte Gesichtszüge, Mut, Kraft, Begehren, Größe, Triebe, Aktivität, Tatendrang, Energie und ein starker Körper mit breiten Schultern und schmalen Hüften gegeben.

So seid Ihr weiblich durch die Vorzüge Eurer wohl geformten Brüste, Eure rassige Erscheinung, der nicht männlichen Körperlänge und der ganz optimalen Fleischesfülle: Euer Körper ist von einer gewissen Fülle, was Vorteile im Umgang mit vom Geschlechtstrieb Getriebenen verspricht, da etwas Plastizität dem Fötus reichlich Nahrung verspricht, weswegen große Magerkeit auffallend abstoßend ist; und doch ist die Fülle Eures weiblichen Busens und Eure Rundungen nicht übermäßig, wie bei übermäßig fetten Weibern, die ihrerseits vielerorts auf Ablehnung stoßen – zurecht, wie nicht der Kopf, wohl aber der Instinkt der Natur weiß.[5] Euer Gesicht macht Euch weiblich, da es an harten Linien mangelt und es die Menschen des männlichen Geschlechts zum Küssen einzuladen scheint. Ihr seid von geradem Wuchse, kein Missverhältnis Eurer Körperteile ist zu erschauen; Eure Zähne sind makellos aufgereiht und weiß; an Eurem Körper ist nichts zu bemängeln, er löst zweifellos auf viele Menschen eine Anziehung aus. Euer Charakter widerspricht den Normen und Erwartungen beinahe gänzlich, wobei Ihr den Mut oder den voranschreitenden Eifer eines Mannes vermissen lasst; sonst seid Ihr willensstark und unkonventionell; Ihr beugt Euch nicht der Macht, den Konventionen oder weit verbreiteten Illusionen dieser Tage und Ihr findet Freude am Debattieren und regen Austausch von Haltungen und Überzeugungen. Ihr treibt kein Sport gegen Euren Willen, wohlwissend, dass eine normale, gesunde Figur an Körperwahn genauso viel Schaden nehmen kann wie ein Kopf. Ihr beugt Euch nicht Namen und Marken der Mode-Welt, sondern tragt, was Euch gefällt. Ihr preist nicht den vermeintlich sympathischen Optimismus, sondern gewinnt meine Sympathie durch den Realismus im Gewande des Pessimismus. Ihr seid eine scheue karibische Schönheit, deren Wert sie durch nichts zu steigern nötig hätte und ihn doch potenziert in einem einzigen Gespräch. Das Rebellische tritt hervor, im Namen der Gerechtigkeit oder im Namen der Vernunft, voller Energie und Leidenschaft – so zieht man Gleichgesinnte in den Bann. Authentisch, natürlich innen und außen, so erscheint Ihr, gebildete Signora. Ihr habt es nicht nötig, Euch anzubiedern oder anzupassen; auch habt Ihr es nicht nötig, süß wirken zu wollen, obgleich Ihr dieser Erscheinung bei mir kaum entfliehen könntet. Ihr enteilt diesen und jenen Stereotypen, auch den Stereotypen der Träger von Piercings oder Tattoos. Das Entflohene macht womöglich einen besonderen Reiz Eures Wesens aus.

Im Spektrum der Variationen der Natur mit allen möglichen Kombinationen von Ausprägungen werden also einzelne Menschen in den Augen anderer mehr oder weniger einzelnen Assoziationen zugeordnet. Ob der Mensch dann in den Augen anderer mehr der einen oder anderen Häufung von Assoziationen entspricht oder nicht, entscheidet, ob ein Mensch leicht in die Darstellung passt. Das liegt dann seltener am Chromosomalen oder Gonadalen und häufiger am Hormonellen oder Anatomischen: Es irritiert Menschen bei Frauen eine zu große Klitoris, eine starke Körperbehaarung oder eine flache Brust. Ein zu kleiner Penis, fehlender Bartwuchs oder schmale Schultern bei einem Kerl führen nicht selten zu Geringschätzung oder Spott der männlichen Mitmenschen. Wo ein Mensch nicht ins Schema passt, wird gezehrt, schikaniert oder ignoriert.

Sind Menschen erfolgreich in Schubladen gesteckt, geht es ans Werk: Beziehungen zwischen ihnen, wobei die gröbsten Abnormalitäten der ersten großen Auswahl ohne größere Mühe von Menschen ignoriert werden, werden auch Mustern angepasst. Wenn Schopenhauer beschreibt, welche Menschen einander in der Geschlechtsliebe widmen, so meint Schopenhauer zur Bestätigung des oben genannten, dass »Weiber oft häßliche Männer lieben, aber nie einen unmännlichen Mann: weil sie dessen Mängel nicht neutralisiren können.«[6] Weiter meint er, dass Liebe keine Sache der Köpfe, sondern der Herzen sei, sodass es ein »eitles und lächerliches Vorgeben [ist], wenn Weiber behaupten, in den Geist eines Mannes sich verliebt zu haben, oder es ist die Ueberspannung eines entarteten Wesens.«[7] Und nimmt er exemplarisch einen rohen, dummen und hässlichen Mann, so wird er dem von einer weiblichen Frau vorgezogen, der intelligenter, aber weniger männlich ist. Dazu wählt der männlichste Mann die weiblichste Frau. Individuen sind im Sinne der Gattung bestrebt, ihre jeweiligen Einseitigkeiten auszugleichen.[8] Also direkt auf mindestens zweierlei legt Schopenhauer sich fest: Niemals liebt ein Mensch einen Menschen gleichen Geschlechts und immer zwei Menschen zusammen bilden gute Einheiten. Er zieht es nicht in Erwägung, Menschen anders einander zuzuordnen. Homosexualität wäre sehr problematisch, außer man würde zwei wohl noch männliche Individuen finden, die in ihren Ausprägungen nicht so männlich sind, dass wenig auszugleichen wäre, allerdings wären diese beiden wenig männlichen Männer noch immer in der Summe zu männlich: Ein hinsichtlich der Muskelkraft schwacher Mann dürfte nur einen schwächlichen Mann seinerseits suchen, wobei er immer noch Mängel hätte, die nur ein Weib aufheben könnte – ein wenig weibliches zugegeben. In diesem Denken ist auch verständlich, dass auch ein großer Mann einen entschiedenen Hang zu kleinen Frauen hat.

Einen Philosophen über das Miteinander der Geschlechter zu fragen erscheint allerdings nicht zu Unrecht einigermaßen unklug. Stattdessen empfiehlt sich ein Blick in das Leben des Giacomo Casanova, welcher Mitte/Ende des 18. Jahrhunderts lebte und nicht bloß ein Mann von Welt (der damaligen europäischen), sondern auch ein Mann mit gewissen Kenntnissen vom Geschlechtsleben war. Casanova bereiste London, Paris, Berlin, Amsterdam, Frankfurt, Konstantinopel, Florenz, Rom, Warschau und viele weitere Städte. Dabei traf er überall Menschen, die ihn bezauberten. Mit 19 Jahren traf Giacomo Casanova auf dem Weg nach Konstantinopel auf eine Frau mit vier Kindern, wovon zwei Mädchen und zwei Buben waren. Die beiden Mädchen waren für ihn von geringem Interesse, dagegen erregte einer der beiden Knaben mehr Aufmerksamkeit. Er hatte feurige schwarze Augen, ein Gesicht mit anmutigen Linien, welche in ihm den Verdacht erregten, der Knabe wäre weiblich. Der Knabe, Bellino, bemerkte nach einiger Zeit, die sie zusammen verbrachten, dass Casanova nicht bloß verwundert, sondern auch verliebt in ihn war. Die Verwunderung und die Anziehungskraft des Bellino waren für Casanova nicht lange auszuhalten, es konnte ihm kein Dauerzustand werden. So griff er bei einer Gelegenheit dem Knaben Bellino zwischen die Beine und konnte etwas fühlen, was zwar wie männliche Genitalien wirkte, Casanovas Zweifel allerdings nicht minderten. Casanova war noch nicht überzeugt, dass Bellino ein Knabe war.

Er war verliebt, obgleich er Bellino nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen konnte. Bellinos Name, seine Worte und scheine äußerste Erscheinung waren die eines Knaben, auch zwischen den Beinen sollte der Knabe ein Knabe sein, doch Casanova konnte seine Untersuchungen und sein Interesse kaum zu einem Ende bringen, ehe er nach einem tagelangen Spiel zwischen ihm und Bellino sich davon überzeugte, dass der Knabe in Wirklichkeit bloß eine Genitalattrappe trug – und eigentlich Theresa hieß. Die kaum auszuhaltende Spannung kam zu einem Ende, und zwar zu einem für Casanova glücklichen. Er hatte Recht gehabt und entdeckte, dass die Schönheit und der Anmut des Bellino noch untermalt wurden von einem gesunden und weiblichen Körper der Theresa.[9]

War Casanova nun folglich glücklich, da er letztendlich von einem weiblichen Wesen erregt war, und seine Welt ihm noch klar und einfach war? Als er in Konstantinopel angelangt war, verführte ihn Ismail, ein junger türkischer Mann. Ismail weckte in Casanova ein sexuelles Bedürfnis, als er ihm heimlich nackte, badende Frauen zeigte. Die Frauen waren ihm jedoch nicht erreichbar und so blieben er und Ismail sexuell erregt nur einander da. Obwohl Casanova es widernatürlich fand, konnte er nicht umhin, als sich mit dem nächstbesten Menschen zu vergnügen. Er hatte Ismail gebraucht, da nichts Besseres zur Hand war.

Auch später noch in seinem Leben traf er ab und an Männer, die anmutiger und schöner waren als andere. Schön war für ihn, was weiblich (im Sinne der oben genannten Assoziationen des Weiblichen) war. Und er erkannte, dass männlich und weiblich nicht einfach zwei Schubladen sein konnten, von denen er die eine zu meiden hatte und sich aus der anderen bedienen durfte. Der mit dem Geschlechtsleben gut vertraute Casanova hatte eine sexuelle Präferenz, und dies war der Reiz des Ideals der Weiblichkeit mit Kurven und Anmut. Wenn ein Mensch dem nahe kam, dieser allerdings zwischen den Beinen weniger dem weiblichen Extrem nahe war als dem männlichen, so war dies nicht notwendig ein Problem.

Das Unkonventionelle ist nicht abgehandelt mit der sexuellen Orientierung auf geschlechtlich Ähnliches oder der Trennung von Sexualität und Beziehung. Die sexuelle Identität könnte noch näher beleuchtet werden oder aber Leidenschaften, welche vom Mainstream im Reich der Perversionen angeordnet werden: So setzen sich einige Menschen über die Artschranke hinweg und haben sexuellen Verkehr mit nichtmenschlichen Tieren (die Landbevölkerung vielleicht eher, wie Freud meinte[10]). Andere können sich bei einem impulsiven (unaufschiebbaren) Trieb keines geeigneteren Objekts bemächtigen als eines noch Geschlechtsunreifen.[11] Wieder andere Menschen fielen dem Begründer der Psychoanalyse entweder dadurch auf, dass sie ihre Lippen oder ihre Zunge als Sexualorgan missbrauchen[12] oder etwa eine Lust an Schmerzen oder Grausamkeiten haben, wobei für Freud nicht der Sadismus, sondern bloß der Masochismus Anspruch auf den Namen einer Perversion hat.[13] Wie Ihr an Casanova sehen werdet und auch der gesunde Verstand anrät, so ist weniger die Trennung von normal und pervers von Bedeutung als vielmehr die Trennung nach willentlich und unwillentlich.

Doch gilt unser Interesse mehr dem, was uns betrifft und so verlassen wir vorerst das weniger Übliche. So viel bloß noch: Der Raum des Unkonventionellen findet sich meist nur in der unkäuflichen Kunst oder in der erkämpften Realität. Allzu viel Unkonventionelles will das einfache Menschlein nicht erwarten; es könnte damit nicht umgehen.

Von der klassischen Beziehung

Es soll nun also im Folgenden bloß um klassische Beziehungen gehen. Es gibt dabei Männer und Frauen, und es geht um heterosexuelle und binäre Interaktionen, da mir dies für einen Großteil Eurer Neigungen, wie Ihr mir anvertrautet, und für die meinen aktuell ausreichend erscheint.

Dabei will ich zunächst unterscheiden zwischen verschiedenen Modi: Es kann sein, dass Frau und Mann weder emotionale noch körperliche Beziehungen pflegen; es kann sein, dass Frau und Mann eine Affäre haben und dies mehr oder minder unter ihnen ist; und es kann sein, dass sie darüber hinaus nach innen und außen sich zueinander fester bekennen; die Krone setzt dem wohl die Ehe auf, dabei ist die Bindung am höchsten. Mehr als diese eindimensionale Unterteilung soll hierfür nicht vonnöten sein.

Von den Arten, Beziehungen zu erwerben

Geschenkte Beziehungen

Die erste aller Beziehungen der Menschheit war nach der bekanntesten Geschichte der Märchen, Sagen und Religionen eine Geschenkte. Eine aus der Bibel bekannte christliche Gestalt, Gott[14], mit Allmacht und Allwissen ausgestattet, sah nach seiner Schöpfung der Welt, der Tiere und eines einzigen Menschen, dass es nicht gut war, wenn der Mensch alleine war.[15] Wie wir noch heute meinen, dass man bestimmte Haustiere nicht einzeln halten sollte, so schien es dem übergeordneten Wesen kaum artgerecht zu sein, wenn ein Mann ohne »Gehilfin«[16] sei. Gott, der Herr, ließ den einsamen Mann tief und fest einschlafen. Während der Mann schlief, schuf Gott ihm aus seinem Fleisch eine passende Frau. Der Frau mangelte es an nichts, außer an Scham und Klamotten. Dem vormals einsamen Mann wurde eine Frau und damit diese erste aller Beziehungen geschenkt.

Von solchen geschenkten Beziehungen gibt es gute Beziehungen und es gibt solche wie die Liaison der beiden ersten Menschen, Adam und Eva. Der Beginn geschenkter Beziehungen ist selten geprägt vom Rausch der Liebe, Glück, Zärtlichkeit oder Küssen warmer und reiner Lippen. Es handelt sich nicht um eine Vereinigung von Leidenschaften und körperlicher Reize. Doch war der Anfang der Beziehung von Adam und Eva ein besonders schlecht gelungener: der Sündenfall. Zwei Menschen verdarben es für (fast) alle Ewigkeit mit dem Landlord des Paradieses. Sie brachten dem Weib die Schmerzen der Geburt und dem Mann seinen Schweiß. Sie vererbten den christlichen Neugeborenen Schuld vor ihrem ersten Schrei. »Nach mir die Sintflut«, könnten die zwei den christlichen Neugeborenen sagen. Von Romantik ergriffen dürfte man ein »wir gegen den Rest der Welt« hinzufügen und die Vertreibung aus dem Paradies und den Bruch mit Gott auf die leichte Schulter nehmen. Kein Gott und auch kein Teufel kann einem frischverliebten Paar etwas anhaben. Jeder Angriff von außen bestärkt den Zusammenhalt und festigt den Bund.

Doch nicht so bei der geschenkten Beziehung. Sie ist nicht von Liebe und Zauber geprägt. Der Zusammenhalt wird durch Angriffe von außen nicht bestärkt: Als die Frau von der Schlange überlistet wurde und eine verbotene Frucht aß und ihrem Mann davon gab, wurden sie erwischt. Gott stellte Adam zu Rede, doch der beschuldigte seine Frau, welche wiederum auf die Schlange verwies. Eine Beziehung zwischen zwei Liebenden hätte den Angriff zusammen abgeblockt und wäre daran gewachsen. Doch innerhalb dieser wurde sich dem Angreifenden angebiedert. Für Adam war die ihm zugewiesene Frau die Schuldige und er stellte sich nicht neben Eva. In einer gesunden Beziehung, sonach einer, die vom Willen beider getragen und nicht bloß ertragen wird, würde ein Partner den anderen ohne Aufforderung fangen, wenn dieser zu fallen droht und ihn nicht zusätzlich belasten.

Solche Querelen innerhalb einer Beziehung ohne Liebe sind geeignet, zu entzweien. Doch, wie oft bei geschenkten Beziehungen, so gab es auch bei Adam und Eva Zwang. Eine geschenkte Beziehung ist oftmals eine erzwungene. Es mag ein Traum sein, als einsamer Mann sich in den Schlaf zu weinen und mit einer nackten Frau aufzuwachen, doch dieser Traum war kein guter. Welche Alternativen hatten sie gehabt? Adams Alternative waren zunächst wohl bloß Schafe, doch sollen unkonventionelle Beziehungen auch hier das Thema nicht sein. Nicht existent waren in dieser Geschichte sowohl Alternativen für Eva als auch eine besondere Bedeutung ihrer Meinung. Was nun also schon zunächst alternativlos und ohne Liebe war, wurde nach dem Sündenfall von Gott modifiziert – und nicht zu Evas Vorteil. Sie bekam Bedürfnisse nach ihrem Mann geschenkt und wurde ihm untergeordnet.[17] Dies war zweifellos ein vergiftetes Geschenk, wie man einen Menschen nicht mögen kann, dem man Durst schenkt, auf dass er ewig trinken will; oder, wie Casanova wusste: »unsere Begierden sind eigentlich nur Qualen, die uns töten würden, wenn nicht die Hoffnung ihre mörderische Kraft milderte. Die Qualen der Hölle, glaube mir, bestehen sicher nur aus unbefriedigten Verlangen.«[18]

Auf lange Sicht können sich Beziehungen generell nicht halten, für geschenkte Beziehungen gilt dies allerdings besonders. Die Beziehung zwischen Adam und Eva trug Früchte und Eva musste die Mühen der Geburt gleich mehrfach durchstehen: Sie schenkte den Brüdern Kain und Abel das Leben. Wo jedoch die Liebe nicht ist, kann wahrlich keine glückliche Familie wachsen. So geschah es, dass zwischen den ersten Kindern Adams keine Brüderliebe herrschte, sondern Neid und Missgunst; jedenfalls erschlug Kain Abel. Adam zeugte in seinen 930 Lebensjahren etliche weitere Kinder und unter ihnen und den nachfolgenden Generationen fanden sich dann auch andere Beziehungsformen – von vermeintlich größerem Glück.

Geschenkt bekam auch Tereus, seines Zeichens König von Thrakien, der Gebiete zwischen dem Schwarzen Meer und der Ägäis, eine Frau. Nachdem er schon sein Königreich vererbt bekam, erhielt er die Gelegenheit, dem König Athens, Pandion, zur Hilfe zu kommen, als dieser sich gegen den König von Theben, Labdakos, zu wehren hatte. Tereus bekam nach dem Sieg eine der Töchter des attischen Königs zur Gattin geschenkt. Der Traker nahm Prokne nicht aufgedrängt, er nahm sie aus freien Stücken und konnte sich an ihr erfreuen. Aus der Verbindung ging Itys hervor, doch wie schon Abel aus der Verbindung von Adam und Eva, war auch ihm kein Glück beschert. Tereus sehnte sich nämlich nicht nur nach Prokne, sondern auch nach ihrer Schwester, Philomela – ach wie schön die Namen der alten Zeit.[19] Es begab sich eines Tages, dass Tereus mit Proknes Segen nach Athen fuhr und ihre Schwester abholen sollte. Doch auf dem Weg zurück nach Thrakien vergewaltigte Tereus Philomela und schnitt ihr die Zunge heraus, sodass sie niemandem von der Tat berichten konnte. Er hielt sie daraufhin gefangen. Seiner Gattin berichtete er in vermeintlich tiefer Trauer, ihre Schwester sei auf dem Weg zurück gestorben. Nachdem der Thraker von einem bevorstehenden Mord eines Verwandten an seinem Sohn Itys durch einen Orakelspruch erfuhr, schritt er ohne Zögern zur Tat und ermordete präventiv seinen Bruder. Nie zu zögern und Feinden keine Zeit zu verschaffen, da dies einem selbst bloß Nachteile bringt, ist weise, doch ist angeraten, nicht bloß geschwind zu handeln, sondern auch umsichtig zu agieren. Als nämlich die vergewaltigte Schwester Philomela die Schändung in Bildern in ein Gewand für ihre Schwester stickte und es zu ihr bringen ließ, kam Prokne ihr zu Hilfe. Zusammen töteten sie Itys, auf dass Tereus keine Nachkommen haben möge, und gaben dem König seinen einzigen Sohn gekocht und verzehrfertig auf den Teller. Außer sich vor Zorn versuchte er, die Schwestern zu töten, doch Zeus verwandelte sie alle in Vögel: Aus Philomela wurde eine Schwalbe, da sie ähnlich undeutlich zwitscherte, Prokne in eine Nachtigall und Tereus in einen Wiedehopf, der zwar ähnlich lüstern wirkt, der jedoch seriell monogam zu leben imstande ist.

Ihr seht also, Lou, einer geschenkten Beziehung ist nicht zu trauen, sie bringt kein Glück. Sie leicht und schnell erhalten, doch schwer auszuhalten.

Zwischen Schenkung, Raub und Zwang befindet sich die bekannte Geschichte des Gyges. Dieser war Leibwächter des Kandaules, des Königs von Sardes, gewesen. Kandaules, auch Myrsos genannt, war ein Nachkomme des Herakles, welcher in den Produkten unserer Kulturindustrie auch unter dem Namen Herkules bekannt ist. Die Herakliden herrschten 505 Jahre über 22 Generationen; ihre Herrschaft begann mit Agron und sie endete mit dem König Kandaules, dessen Leibwächter Gyges war. Der letzte Nachkomme des Herakles, Kandaules, hatte sich Nyssia[20] aus Liebe zur Frau genommen. Nichts Schlechtes ist über die Ehe selbst bekannt, sie war getragen wenigstens von der Liebe des Kandaules. Doch blind und dumm durch Liebe nutzte er seinen Verstand nicht und pries die Schönheit seiner Nyssia vor seinem Leibwächter und langjährigen Freund Gyges. Dieser wollte, sittlich wie er war, Anstand bewahren und hörte immerzu nur halb hin. Doch Kandaules pochte darauf, dass seine Nyssia die schönste Frau überhaupt sei. Die Begeisterung des Königs ging eines Tages so weit, dass er Gyges dazu drängte, frevelhaft zu handeln: Er sollte sich eines Abends in den Gemächern des Königspaars verstecken und die Königin aus einem Versteck heraus betrachten, während sie sich ihrer Kleider entledigen würde. Gyges sollte sehen, was er nicht hören wollte. Sehen wollte er es auch nicht, doch ließ ihm der König keine Wahl. So geschah es also, dass der Gyges eines Abends Schande über Nyssia brachte und sie nackt sah, ohne ihr Mann zu sein. Als Gyges sich aus den Gemächern hinausschleichen wollte, bemerkte Nyssia den Gyges, bewahrte aber den Schein und verhielt sich, als hätte sie nichts bemerkt. Am nächsten Tag ließ sie über ihre Diener den Leibwächter zu sich rufen, was nicht weiter ungewöhnlich war. Sie stellte ihn vor die Wahl: Da Schande über sie gebracht wurde, hatte sich Gyges zu entscheiden. Entweder musste er sterben oder er musste seinen König töten und seinen Platz als Herrscher und Ehegatten einnehmen. Durch diese Optionen entsetzt, versuchte Gyges Nyssia zu überzeugen, milde zu sein und andere Lösungen zu finden, doch sie ließ nicht mit sich reden, wie auch schon Kandaules sich nicht von seinem Freund hatte umstimmen lassen. Am Abend versteckte sich Gyges abermals in den Gemächern, doch dieses Mal ahnte der König nichts. Gyges erstach den König und nahm seinen Platz ein. Er tat mehrfach, was von ihm verlangt war und verstieß aus diesem Grund wiederholt gegen die Sitte. Das Orakel verkündete, dass Gyges nun der rechtmäßige König wurde, doch auch war verkündet, wann ihn oder seine Nachkommen die Rache der Herakliden treffen würde: Seinen fünften Nachfahren sollte sie schmerzlich treffen. Weder Gyges noch sonst wer schenkte dem Beachtung, doch Kroisos, Gyges fünfter Nachfahre, kam noch zur Erkenntnis, warum er später vom Solon trotz des Reichtums zurecht nicht als der glücklichste Mensch betitelt wurde. Und so geschah es, dass 505 Jahre Herakliden- und fünf Generationen Mermnaden-Herrschaft von einer Tat zu schrecklichen Enden gebracht wurde: Liebe gebar Dummheit und Frevel zog Qual nach sich.

Auch die Beziehung des Gyges mit Nyssia ließ sich mit doch recht einfachen Mitteln schnell gewinnen. Fortuna schenkte mehr als eine Gelegenheit bloß, den Gyges zwang sie zu seinem Glück ins königliche Ehebett; den Preis hatte er nicht zu zahlen – doch wem macht Fortuna schon solche Geschenke?[21]

Selbsterworbene Beziehungen

Von der Tüchtigkeit des Casanova

Weitaus mehr zu achten sind die Beziehungen, die durch erotische Eroberungen entstanden sind, denn diese zeichnen sich durch den Reiz des freien Willens, der Tüchtigkeit eines Menschen und der größeren Emotionalität aus. Als Casanova 1744 mit 19 Jahren in Griechenland stationiert war, lernte er ein ihm ein vom Rang her übergeordnetes Paar kennen: Signor F. und Signora F. Casanovas Erlebnisse dieser Zeit sind für den eine Art des Erwerbs von Beziehungen von größtem Interesse, da der damals noch unerfahrene Casanova lernen musste, was grundsätzlich ist in den Irrungen und Wirrungen des Geschlechtslebens.

Schon bald war Casanova nämlich von der Gattin des Signor F. angetan und begehrte sie. In seinen Augen war sie schön und erhaben. Signora F., wie er sie in seinen Memoiren nannte, um ihre Anonymität und Integrität zu wahren (wie bei allen seinen Liebschaften), spielte seiner Ansicht nach in einer anderen Liga: Sie war ihm geradezu überirdisch. Diese Eigenschaften und besonders seine Einstellung zu ihr machten es ihm zu Beginne praktisch unmöglich, sich ihr anzunähern.[22] Ihr Gatte war in seinen Gedanken weniger relevant, dazu war Casanova viel zu sehr mit dieser Signora F. beschäftigt. Und sie spielte das Spiel, welches für sie vermutlich deutlich später begann als für ihn, so gut es nur zu spielen war: Sie zeigte keinerlei Interesse, und doch zerstörte sie nicht alle Hoffnungen des Jungspunds. Er sah sie Tag für Tag, aß mit ihr und ihrem Gatten, konnte und musste sie häufig sehen. Casanova quälte sich, sah sich in der Hölle, da er kaum eines Blickes gewürdigt wurde und zunächst auch kein Wort mit ihm gesprochen wurde. Er war verletzt, hasste sie beinahe, wobei der Hass eher seinen eigenen Bedürfnissen gegolten haben muss. Giacomo war erfüllt von Sehnsucht, Faszination und Bewunderung und dazu fühlte er sich in ihrer Gegenwart minderwertig.[23] Die ihm überlegene Signora F. war Grund für sein Leid. Er blieb lange so unauffällig, wie es ihm nur möglich war, doch es war schwierig, da sie ihm die Laune verdarb und kalt blieb. Sie machte sich dazu gelegentlich lustig über ihn und er weinte heimlich. Schließlich redete er sich sogar ein, durch ihr Verhalten von der Liebe zu ihr geheilt zu sein, doch dem war natürlich nicht so. Als er auf Befehl des Signor F. dessen erkrankte Gattin aufsuchte, um ihr Gesellschaft zu leisten, sprach Casanova indirekt über seine Liebe zu ihr, dazu erfand er eine kleine Geschichte, in der er sich selbst einfügte, seine Angebetete Signora F. jedoch umschrieb. Signora F. erkannte wohl den wahren Kern der Geschichte und legte nahe, dass die Geliebte seiner Geschichte womöglich zum eigenen Schutz Casanova schlecht behandelt hatte. Damit wich der Kummer wieder der Zuversicht.[24]

Darauf hatte Casanova der Signora F. wochenlang zu Diensten stehen müssen und war ihr räumlich noch näher. Sie verweigerte sich ihm weiter und seine Hoffnung erlosch nicht. Er redete sich ein, ihr Stolz wäre noch stärker als ihre Liebe zu ihm und stärkte so noch weiter seine Hoffnung. In der Öffentlichkeit schien sie ihm nahe, während sie ihm im Privaten kälter begegnete. Signora F. und Casanova sprachen darüber, aber auch dieses Gespräch unter vier Augen wurde von ihr mit einer gestellten Ahnungslosigkeit und emotionalen Nichtbeteiligung geführt. In der gesamten Zeit konnte Casanova von ihr so viel sehen und war ihr so nahe, doch seine Fantasie ging noch weiter. Er litt und schien innerlich beinahe verrückt zu werden – ob, um Aufmerksamkeit zu gewinnen, oder gänzlich ohne sein Bewusstsein. Er sammelte sogar Signoras von ihrer Kammerzofe abgeschnittenen Haare auf, um sie zu essen. Die Kammerzofe bekam dies einmal mit, was ihm nicht so Unrecht gewesen sein konnte, wie er tat, da es ihm Aufmerksamkeit bringen konnte. Später tat er, als wäre er krank und gewann dabei endlich mehr Anteilnahme von seiner Ersehnten. Sie schien interessiert an seinem Wohl und schenkte ihm nun sogar Haare von sich; damit konnte er wieder glücklich einschlafen und von ihr träumen.[25]

Nun endlich bemühte er sich nicht bloß um ihre Aufmerksamkeit, sondern gestand ihr auch offen seine Gefühle. Von dem Wahnsinn der Emotionen überwältigt warf er sich mit großer Dramatik ihr zu Füßen und bat sie, ihn entweder zu verbannen oder ihn glücklich zu machen. Seine Verzweiflung war nicht mehr in seinem Innersten eingepfercht, sondern kam mit der Kraft der Notwendigkeit nach draußen. Sanftmütig forderte Signora F. Casanova zur Mäßigung auf und erklärte, dass auch sie ihn liebte, doch dass daraus kein Glück entstehen könnte. Seine Verzweiflung wuchs und er bat um nichts weiter, als seine Lippen auf ihre Lippen pressen zu dürfen. Doch diese verliebte Signora blieb standhaft, energisch und stark. Sonderbar und unnatürlich schien sie ihm, doch das Spiel ging weiter wie zuvor.[26]

Sie schenkte ihm jedoch wenig später die Gelegenheit, sich ihr zu nähern und ihre Lippen lösten sich lange nicht voneinander. Von Gefühlen des Glücks und der Dankbarkeit überwältigt, sprudelte die Ehrlichkeit aus ihm heraus. Er erzählte von der geheimen Zutat seines Konfekts, welches er sich zubereitete und Haare von ihr enthielt. Sie nahm es auf wie eine sanfte Dame. Sie kamen einander näher und Emotionen nahmen Überhand, doch noch immer behielt sie die Kontrolle; sie hielt den Eifer in Grenzen. »Liebe ist ein Kind, das man durch Getändel beschwichtigen muß. Eine kräftige Nahrung wäre ihr Untergang«[27], meinte sie. Sie war ihm zu rational, zu wenig emotional, doch verlangte es ihm nach ihr. Die Spiele gingen weiter und weiter. Signora F. ließ Nähe zu, gab dem Lodern Casanovas Liebe Zunder, aber setzte harte Grenzen.

Die Leidenszeit hielt allerdings nicht ewig. Da entweder die Hoffnung stirbt oder der Träger dieser, ist das Leiden begrenzt. Casanova kam noch dazu, dass seine »Seele im Glück schwamm«[28] und er in ihr Heiligtum, wie er ihre Vagina nannte, eindrang, doch dies ist zunächst genug von Signora F. und dem Casanova, denn der Punkt ist gemacht und der weitere Verlauf wird an geeigneter Stelle wieder aufgegriffen.

Eroberungen wie diese häufen sich im Leben des Casanova und er berichtet ausführlich von all diesen Menschen. Selbsterworbene Beziehungen sind, wie Casanova lernen musste, oftmals harte Arbeit, doch haben sie das Potenzial, mehr Glück zu entfachen. Von ihrer Dauer wird noch zu berichten sein.

Die Schwierigkeit bei selbsterworbenen Beziehungen ist, dass es sich bei den Eroberten oftmals um solche handelt, die es gewohnt waren, frei zu leben oder mit anderen Partnern. Bei geschenkten Beziehungen ist vor der Schenkung meist die Kindheit und ab dann wird die Adoleszenz assoziiert mit der Beziehung, einer festen Beziehung, welche nicht infrage gestellt wird. Dort setzen Gewohnheit und Unglück ein. Letzteres findet seinen Weg auch in selbsterworbene Beziehungen, doch an Ersterem mangelt es dieser anfänglich immer. Mindestens einer der Partner ist es also gewohnt, frei zu leben, und hat vielleicht einen gefestigten Charakter, welcher sich nicht mehr anzupassen vermag, oder er oder sie ist es gewohnt, dass Wechsel der Beziehungen zum Leben dazugehört, obgleich sie alle an dem Ideal der ewigen Liebe und der Exklusivität weiter festhalten wollen. Die Wahrheit liegt auf der Hand, allein es fehlt der Wille, sich serieller Monogamie oder unkonventionellen Formen offen und ehrlich zu widmen.[29]

Während es bei geschenkten Beziehungen schon reicht, seine eigenen Pflichten nicht grob zu vernachlässigen, also stets allgemeine eheliche Pflichten zu erfüllen und sich zu sorgen und zu kümmern, so ist bei selbsterworbenen Beziehungen mehr verlangt. Wiewohl ein Gatte von durchschnittlichen Fähigkeiten bei geschenkten Beziehungen ein überdurchschnittliches Ehegeschöpf halten kann, so bedarf es größeren Talents oder einiger Talente. Es warten hier folglich keine bescheidenen Schwierigkeiten: Ein Missgeschick und alles kann verloren sein.

Von der Natur des Selbsterwerbs

Am Anfang vieler Beziehungen unserer Tage findet allerhand Kurioses und wenig Moralisches statt. Zunächst will ich Euch die Grundprinzipien erläutern, um dann auf die Konsequenzen einzugehen und das Kuriose und die Amoralität einzuordnen.

Das männliche Geschlecht ist stärker von Mutationen betroffen als das weibliche, es ist für die Evolution zuständig, während das weibliche Geschlecht den Hauptteil der Fortpflanzungsarbeit trägt und den meisten Körpereinsatz leisten muss.[30] Davon ist auch in der modernsten der uns bekannten Gesellschaft bei natürlichen Geburten noch nicht abgewichen worden. An der körperlichen Fortpflanzungsarbeit ist das Weibliche auch zu erkennen – nach gängigen Begrifflichkeiten.

Männlich sind die Tiere, von denen zahlenmäßig am wenigsten gebraucht werden, ohne dass eine Generation sich weniger vermehrt: So wie man von Dschingis Khan meint, er wäre verwandt mit einer recht hohen Prozentzahl aller heute lebenden Asiaten, ergab eine Untersuchung von See-Elefanten, dass vier Prozent aller Männchen 88% aller Nachkommen gezeugt hätten.[31] Was war mit den 96% der See-Elefanten? Taugten sie nichts? Vielleicht: Sie waren die gescheiterten Versuchskaninchen der Natur. Die männlichen Individuen sind in der Masse für die Art nützlich, individuell sind sie jedoch abkömmlich.

Die Natur experimentiert mit den Säugetieren, die man als weiblich bezeichnet nicht bzw. deutlich weniger, da sie die knappe Ressource sind.[32] Gäbe es bei weiblichen Lebewesen mehr Mutationen, so wäre die Wahrscheinlichkeit hoch, dass weniger Nachkommen entstehen. Es braucht immer eine Frau, um ein Kind zu Welt zu bringen, aber ein Mann kann Tausende Frauen schwängern. Daher findet man Männer bei menschlichen Eigenschaften eher an den Extremen als weibliche Wesen, von denen nicht viel verlangt wird, um als attraktiv genug für eine Kohabitation zu wirken. Frauen dürfen durchschnittlich sein.

Unter den intelligentesten Menschen findet man mehr Männer als Frauen, unter den dümmsten Menschen findet man mehr Männer als Frauen; im Durchschnitt sind Männer nicht intelligenter oder dümmer als Frauen – jedenfalls nicht signifikant. Mehr Männer leben in Armut, mehr Männer sind Milliardäre. Die Verteilung der Körpergröße ist bei Frauen deutlich konzentrierter um den arithmetischen Mittelwert, während es mehr sehr kleine und mehr sehr große Männer gibt. Und Männer überfluten die Gefängnisse, da sie auch bei Persönlichkeitseigenschaften extremer sind: Mehr Männer sind grausam, mehr Männer sind gütig, mehr Männer sind bescheiden, und mehr sind maßlos. Männer sind extremer.[33]

Männer sind der Spielball der Natur und Frauen sind wie verspielten Kätzchen, die sich heraussuchen, was ihnen gefällt. Sie können frei wählen, doch weise sollten sie jedenfalls wählen – machen sie dies nicht, haben sie den Schaden, während der Mann das Vergnügen andernorts findet oder sich gänzlich aus dem Staub macht. Idealerweise fängt die Gesellschaft Geschädigte auf und springt ein, um Menschlichkeit walten zu lassen.

Frauen müssen demnach gut wählen. Sie können sich – wo nicht den gröbsten Regeln des menschlichen Miteinanders zuwidergehandelt wird – der Kopulation verweigern, sich aber auch nach einiger Zeit dazu entschließen, zu den Beischlaf ausüben, wie Signora F. Casanova hatte zappeln lassen. Die Frau ist das nachgefragte Liebesobjekt, welches – grob gesagt – mit dem Maß an Bedeutung und Persönlichkeit für den Mann gewinnt, wie sie ihn zappeln lässt. Ist sie zu Beginn für den Macker mehr Leib, so ist sie dem Verehrer später mehr Seele. Weiblicher Wankelmut, also ein wenig Hoffnung und doch keine Sicherheit, macht aus Muschi und Mammae eine idealisierte Persönlichkeit, der sich der Mann zu Füßen wirft. Mit Freuds Worten: »Liebe [macht] die Männer immer verlegen und ungeschickt, die Mädchen klug und listig [...].«[34]

Doch die Mühsal an der Frau, so sie denn nicht bloß am kurzfristigen Vergnügen interessiert ist, regt die Fantasie an zu täuschen. Und so findet man Täuschungen hier und da, überall, wo Männer an Frauen Freude zu finden versuchen.

Sie täuschen Freigiebigkeit und Güte in Bars und Diskos vor. Sie optimieren ihre Profile und Fotos auf Dating-Plattformen, sodass der Schein nicht geringer ist das das Sein. Wer nicht täuscht und nicht versucht, gar besser zu wirken als er ist, bringt seine Nicht-Täuschen-Gene mit geringerer Wahrscheinlichkeit in die nächste Generation – doch was wichtiger ist als die nächste Generation (zu der man ja wohl kaum gehören kann): Man kommt nicht an, die Bedürfnisse bleiben unbefriedigt, das eigene Glück bleibt auf der Strecke. Gut getäuscht hingegen, ist halb gewonnen.

Angenommen, es gibt nur gute Männer, also für diesen Zweck Männer, die mit Frauen nicht bloß kurzfristige Interaktionen wollen, sondern nur mit Frauen schlafen, mit denen sie dann auch eine Beziehung wollen. Das wäre die Art Mann, die von Frauen wie Signora F. hervorgebracht werden würde und aus der überflüssigen Masse der Männer herausfiltern würde. Wenn nun eine so genannte leichte Frau zu dieser Population stößt, und Männer nicht prüfen würde, also nicht ewig das Spiel des Hoffnungmachens und der Verweigerung spielen würde, hätte sie einen guten Mann und wäre schneller am Zug als die Signora F., und sie hätte, so sie auf einen im Bett begabten Casanova stieße, früher ein großes Vergnügen als Signora F. Vor allen Dingen würden ihre Gene, die des leichten Mädchens schneller und vielleicht in größerer Zahl in die nächste Generation geraten. Es gäbe dann dementsprechend früher oder später mehr leichte Frauen, mit denen ein Mann schneller zu sexuellen Vergnügungen kommt. Vielleicht gäbe es dann nur noch leichte Frauen. Männer sind treu und sie haben – wie die Frauen auch – schneller Sex.

Doch zwei Dinge sind dabei zu bedenken: Erstens unterliegen Männer stärker der Evolution und zweitens haben Männer – rein von der typischen Biologie her – ein größeres Interesse an Sex als an Beziehungen. Kommt nun ein untreuer Mann in die Population, also hierfür ein schlechter Mann, so findet dieser sich in jenem Paradies wieder, aus dem Adam und Eva geflogen waren. Er wird eine Frau nach der anderen benutzen und Sex bei jeder Gelegenheit haben. Keine Frau wird das Spiel des Zögerns und Prüfens spielen. Er hätte womöglich seinen Spaß und würde Kinder in die Welt setzen wie Dschingis Khan seinerzeit.

Allerdings ist wieder zu bedenken, dass Nachkommen am besten aufwachsen, wenn nicht bloß ein Elternteil für sie sorgt.[35] In einer Welt voller untreuer Männer wäre also der Nachwuchs am besten dran, dessen Mutter sich wie Signora F. verhalten hat: Sich einen Mann an sich gebunden und alle Männer in den Wind geschossen, die bloß schnellen Verkehr wollten anstatt an ihr längerfristiges Interesse zu zeigen. Damit wären wieder die treuen Männer im Vorteil, jene also, die sich verlieben.

Wie nun gezeigt, kann es rein logisch keine Population geben, welche nur voller treuer Männer oder nur voller leichter Frauen ist. Dies exerzierte schon Richard Dawkins 1976 in seinem Werk »The Selfish Gene« durch.[36]

»If you do the sums, it turns out that a population in which 5/6 of the femals are coy, and 5/8 of the males are faithful, is evolutionarily stable.«[37] Dabei sind diese Zahlen bloß modellhaft und sollen veranschaulichen, dass eine Population durch natürliche Ausleseprozesse ein gewisses Verhältnis an leichten Frauen und treuen Männern hervorbringt.

Das Spiel zwischen Männern und Frauen ist also ein Spiel von Sex und Beziehungen – mit Konflikten. Dieses Spiel fordert in seiner Dynamik nicht bloß von Männern Täuschungen, sondern auch von Frauen – in einer Art und Weise, wie sie in Erwartungen von Männern erschütternd infantil und stupide zu Tage treten: In einer alten Zeit, jedoch lange nach Adam und Eva, begann es, dass Männer ungeschminkte Frauen im Internet bewerteten und sie mit geschminkten verglichen.[38] Sie forderten von Frauen, stets natürlich zu sein, und wählten doch immer die geschminkten Frauen und vergrämten die ungeschminkten als zu hässlich. Sie forderten von Frauen weibliche Rundungen, jedoch bloß an Brüsten und Po – und auf gar keinen Fall ein Gramm Fett an einer anderen Stelle. Männer forderten, sie sollen langes Haupthaar haben und ansonsten der Natur den Rücken kehren. Dazu mussten sie weiblich sein, doch aber ihren Mann stehen. Sie sollten mit jenen weiblichen Attributen (siehe oben) assoziiert werden, die sie attraktiv finden, nicht aber so weiblich oder menschlich sein, wie sie waren. Jene Frauen, die nicht durch Schminke täuschten, wurden durch die Blicke der Männer enttäuscht.[39] Und jene, welche Weiblichkeit zeigten oder betonten gerieten schnell in Verruf, wenn sie nicht Bedürfnisse befriedigten, die sie beinahe pflichtgemäß weckten.

In dieser Welt scheint es dennoch am besten, dass Frauen zugeordnete typische bzw. natürliche Verhalten das Spiel des Hinhaltens, Hoffnungmachens und der körperlichen Verweigerung zu spielen – außer, es geht ihnen nicht um eine sichere Beziehung, die in dieser Gesellschaft möglicherweise gar nicht mehr ihre beste Karte ist. Die Gedanken und Strategien der Männer scheinen einfacher zu sein: Mehr als folgende vier Angelegenheiten sind für sie nicht nötig, zu wissen: Wie man sie erobert, wie man sie ins Bett bekommt, wie man mit ihnen den Liebesakt mit Genuss vollzieht und wie man sie wieder vergisst.[40]

Doch wie an Bismarck und Goethe noch exemplarisch zu sehen ist, beschränkt sich der Wert einer Frau aus typisch männlicher Perspektive nicht bloß auf den intimen Kontakt, der auch ohne eine zeitlich längere Beziehung auskommt – und dabei sind nicht nur die Erfahrungen bereits genannter Protagonisten mühevoll und schmerzlich, sondern auch die Erfahrungen der Journalistin Norah Vincent, die sich ein Jahr lang als Kerl die männliche Wirklichkeit antat und dabei von Frauen auf hohen Rössern gemustert und mit Körben bedacht wurde. Verkleidet als Mann erfuhr sie in Bars und Kneipen bei Frauen regelmäßig Nichtbeachtung und Zurückweisungen. Sie lernte, dass das männliche Leben, welches ohne Geld in dieser Welt auf der Suche nach der Befriedigung seiner Bedürfnisse umherirrt, von Abfuhren geprägt ist und nur mit einer gesunden Psyche oder einem wenigstens ausreichend großen Ego ertragen werden kann.[41]

Eine Beziehung, ganz gleich welcher Länge, jedenfalls selbst zu erwerben, ehrlich und treu, ist ein hartes Geschäft; sie bloß irgendwie selbst zu erwerben ist ein schmutziges Geschäft.

Geraubte Beziehungen

Unter den selbsterworbenen Beziehungen gibt es jedoch noch den Sonderfall der Beziehungen, die durch moralische Verbrechen entstanden sind. Gewiss waren auch Gyges und Casanova durch Freveltaten zu Beziehungen gekommen oder einer nahegekommen – es gab immerzu einen geschädigten Dritten. Allerdings war Casanova nicht oder bloß halb erfolgreich und Gyges hatte weniger gute Alternativen zum Raub, welcher ohne größere Mühen auch als Geschenk wahrnehmbar ist.

Geraubte Beziehungen sind solche, bei denen der natürliche und menschliche Wunsch, zu erobern, auf ein Liebesobjekt zielt, auf welches ein anderer Mensch im Rahmen üblicher konventioneller Beziehungen Anspruch erhebt – ganz gleich wie veraltet oder inhuman dieses Denken auch sein mag. Nach Freud üben Frauen einen besonderen Reiz aus, wenn bereits ein Mann sie als die seine sieht. Eine Frau, die nicht bereits begehrt oder beansprucht wird, übt einen deutlich geringeren Reiz auf den Mann aus, obgleich sie noch dieselbe ist, wenn sie tags darauf in einer Beziehung ist und plötzlich nicht nur eines Partners Interesse, sondern auch anderer Männer Begehren erfährt.[42] Dies ist auch zu beobachten bei Menschen, die sich eines Tages medial größerer Aufmerksamkeit erfreuen können und plötzlich wahrgenommen und begehrt werden von Menschen, die ihnen zuvor noch keinerlei Beachtung geschenkt hatten. Das menschliche Begehren, so wie es die Natur eingerichtet hat, ist weit weg von unseren Idealen. Es wird nicht selten erst begehrt, wenn von anderen Begehren wahrzunehmen ist.

Nun will ich davon berichten, wie ein Raub vonstattengehen kann; dazu zunächst die Lektion aus dem Werk von Lessing, Emilia Galotti:

Wir befinden uns, wie so oft, im 18. Jahrhundert, also nach den Konventionen der Geisteswissenschaft, um ca. 910.000 NZG, und im Konflikt der Welt des Adels mit dem aufstrebenden Bürgertum. Die tugendhafte bürgerliche Tochter Emilia Galotti ist glücklich verlobt mit dem Grafen Appiani und hatte damit »ihn in ihre Schlinge zu ziehen gewusst [...].«[43] Als der Prinz von Guastalla, Hettore Gonzaga, der seinerseits selbst schon ein Auge auf Emilia geworfen hatte, dies erfährt, gibt er seinem Kammerherrn sofort freie Hand die Hochzeit zu verhindern. Die Zeit eilt, da die Hochzeit schon für eben den Tag angesetzt ist, an dem der Prinz von der Vermählung erfuhr.

Bei einer Gelegenheit an diesem Tag stellt er ihr nach und spricht Emilia Galotti seine Bewunderung aus. Emilia ist aus diesem Grund vollkommen unruhig und wie von Sinnen. Doch beruhigt ihre Mutter sie und hindert Emilia daran, ihrem Verlobten vom Interesse des Prinzen zu berichten – um den Frieden nicht ohne Not zu gefährden.

Währenddessen versucht des Prinzen Kammerherr, Marinelli, über Mittel und Wege die Hochzeit zu verhindern: Marinelli fordert vom Grafen Appiani, einen Dienst für den Prinzen anzutreten, was der Graf wegen der kurz bevorstehenden Hochzeit nicht machen will, und darauf fordert Marinelli den Grafen zu einem Duell heraus, welches dieser ebenso ausschlägt. Die ersten Versuche Marinellis, für seinen Prinzen die Eheschließung der Emilia und des Appiani kurzfristig zu verhindern, waren gescheitert und so weiht er den Prinzen in seinen neuen Plan ein, der während des Gespräches ausgeführt wird. Wie ein zufälliger Unglücksfall bricht plötzlich ein tödlicher Überfall auf den Grafen unweit der Residenz des Prinzen über die Familie Galotti hinein. Der Verlobte ist tot und die panische Emilia will zu ihm. Die Nochehefrau des Prinzen, Orsina, die zum Missfallen des Prinzen wieder in der Stadt ist, kombiniert den Sachverhalt schnell und überzeugt Emilias Vater von der Schuld des Prinzen. Emilias Vater ist sich allerdings auch der Unschuld seiner Tochter nicht sicher und beschließt, die Stadt zu verlassen. Doch bevor es dazukommt, bittet Emilia Galotti ihren Vater darum, sie umzubringen und ihre Ehre zu retten: »Eine Rose gebrochen, ehe der Sturm sie entblättert.«[44]

Uns kommt es nicht unerwartet, dass dieser Raub nicht mit Erfolg vonstattengeht. Er ist nicht von Erfolg gekrönt, da der Raub nur von einer einseitigen Liebe ausgeht – doch Liebe ist für Beziehungen, wie schon bei den geschenkten Beziehungen zu sehen war, keine notwendige Voraussetzung. Der starke Widerwille Emilias und ihre – für heutige Maßstäbe wohl merkwürdigen – Moral- und Ehrvorstellungen haben den Raub vereitelt. Unglück brachte der Raub hingegen nicht bloß dem gescheiterten Räuber, der sich doch nachvollziehbar und sein eigenes Glück bemühte. Es ist verständlich, dies zu erstreben, doch wäre ein weitsichtigerer Mensch diesen Weg nicht beschritten.

Aus dem Fundus zeitlich näherer Begebenheiten folgt nun der Bericht über die Liuruxa Espita und ihren Männern – er mag zu weiteren Erkenntnissen verhelfen:

Der Weg aus dem 18. Jahrhundert zurück in unsere Zeit fällt nicht schwer, Euch wenigstens nicht, meine Lou. Doch bedenket meine Lage, der ich aus anderen Tagen zu kommen glaube und es auch soll. Dem eine Last, eine Bürde anstelle einer wahren und nicht alten Vergangenheit geschenkt wurde. Bedenket auch, dass meine ältesten Erinnerungen trotz meines Alters jüngeren Datums sind und meine Zeit im Keindingland beinhalten. Die Neuzeit nach den wohl erstaunlichen Ata-Jahren fühlt sich trotz meines Wissensmangels um die alte Zeit nicht heimischer an, als was mir begegnet aus älteren Tagen. Und so lerne ich noch immer von verbotenen Farben[45] und Gedichten des Nytakas[46], die mir helfen, mich einzufinden. Nur, o Lou, die Sprache bereitet mir noch Sorgen; noch immer nutze ich die alte Sprache, ohne zu wissen, wann ich sie von wem erlernt haben konnte.

Die rothaarige Liuruxa Espita, Tochter aus der Verbindung zwischen Geas Frosin und Reosir Fingum, ist eine – vielleicht besonders wegen ihres russischen Akzents und ihrer sanften, doch auch rauen Stimme – begehrte und geschätzte junge Frau, die bis noch vor Kurzem offiziell mit Yblue Kazuga, seines Zeichens Sohn von Tiv Kazuga und Libena Asamwi, verheiratet war. Sie war also in jener Familie eingeheiratet, welcher die bekannte Zuffin AG gehört. Wie noch immer üblich, gingen Anteile des Yblue Kazuga bei der Scheidung der Liuruxa über. Unangebrachte Naivität hinsichtlich der Ehedauer und hinsichtlich Espitas Treue beließen Yblue in dem Glauben, er könnte auf ein Manifest des Unglaubens an die Liebe, auf einen Ehevertrag also, verzichten, als er einen Anteil am Familienunternehmen von seiner Mutter geschenkt bekam. Gründe zum Misstrauen hatte er wohl genug, so hatte es im Umfeld immer wieder Gerüchte gegeben von einer merkwürdigen Intimität zwischen Conicu Denger und Liuruxa – wie auch mit anderen Männern –, doch brachte Yblue es fertig, sich jede Kuriosität in den Erzählungen seiner Frau zurechtzustutzen. Er konnte sich keine Welt vorstellen, die nicht war, wie sie ihm sein sollte.

So war es dann auch, dass neben vielen Männern auch Ertmyb Nedsur ins Leben der Liuruxa trat, und dieser sofort bemerkte, von welcher Art die Beziehungen der Espita zu den vielen Mitmenschen ihrer Gesellschaft waren. Überhaupt war es nicht wenigen unbekannt, dass geschäftliche Verpflichtungen und die wenigen gesellschaftlichen Gemeinsamkeiten des Ehepaars Espita/Kazuga trotz der innigen Liebe ihr viele Bedürfnisse unerfüllt ließen und dem auch Zeit und Raum gaben. So gab es also andere Männer in ihrem Leben.

Liuruxa machte Conicu Denger wenige Hoffnungen in ihren Worten russischen Akzents, doch sprach ihr großgewachsener, schlanker Körper in ihrer Zweisamkeit eine andere Sprache. Jede Begegnung schien für Denger den verbalen Entsagungen zu widersprechen und er sah sich in einer geheimen, aber engen Beziehung zu Liuruxa. Der Wechsel aus Nähe und Ferne, gesteuert und bestimmt von Espitas Willen machte ihn ihr zu einem Sklaven. Er stand bereit und duldete, was auch immer sie tat. Er war praktisch immer dabei, ob er nun zum Zug kam oder nicht. Im Dunstkreis ihrer geselligen abendlichen Runden war er zu finden.

Espita spielte auch mit anderen Männern. Sie machte gerne Hoffnung und nahm aus den Avancen eine Bestätigung, die ihr jede rationale Vorsicht im Umgang mit Affären in der Öffentlichkeit stahl, wo sie doch mit dem Erben einer weltbekannten Unternehmerin liiert war. Sie flog auf ihrer Wolke, wurde allseits von Männern angehimmelt und kannte keine Ängste mehr. Obgleich dies alles eine Fassade hätte sein können, war ihre Wirkung ungebrochen. Gesund und überlegen beherrschte Espita das Spiel und ihre Männer. Sie setzte Reize und Nähe ein, sie lobte und versetzte Männer gerne in den Glauben, sie seien besonders. Ohne größere Mühen konnte sie auch tausende Gründe erfinden, warum dies wahr sein musste. Und doch gab es keinen Grund zur Hoffnung – für niemanden. Sie liebte Yblue Kazuga. Sie empfand auch nicht wenig für Conicu Denger, doch waren die Rollen verteilt – sie hatte sie verteilt.

In ihrem Umfeld gab es noch Ossete Nedasa, die ein wenig jünger und von diesem Spaß beeindruckt war. Sie ahmte rasch nach und schien irgendwann ihr Vorbild zu überflügeln. Doch war sie es, die später die Angetraute des Conicu werden sollte – und es noch immer ist.

Auch Ertmyb war beeindruckt von diesem Spiel. Die Nähe zu diesem Spektakel genoss er und bemühte sich doch immer um distanziertes Verhalten – er gab nicht mehr emotionales oder freundliches Engagement als nötig war, um dieser wohl reizvollsten Gesellschaft der Unteren Annukis, obgleich Espita längst schon Zugang zu höheren Wegen und Gesellschaften hatte, beizuwohnen. Stets emsig, wenn es in dieser Runde von einigen festen Mitgliedern mit vielen rotierenden Neuzugängen notwendig war, individuell Hilfe zu leisten oder sonstig zur Seite zu stehen. Des Nedsurs Sache waren Geselligkeiten nicht, doch das Ticket zu dieser Show musste durch Arbeit an Menschen erkauft werden. So gab dieser Freundlichkeiten von austauschbarer Art an Mitglieder aus. Es waren nicht selten Tätigkeiten oder Anwesenheiten, die ohne Unterhaltungswert für Nedsur waren, und die dazu von jedem x-beliebigen ausgeführt oder ausgefüllt hätten werden können. Doch in der Summe war Nedsur oft da und war einem Jeden ein Begriff, wenn ein Mensch gebraucht wurde. Nedsur war also ein Sympathieträger geworden durch gezielten Fleiß trotz aller Misanthropie. Damit war sein Ticket gesichert und so kam er auch in die Nähe der Liuruxa.

Wohlwollen zeichnete Nedsurs Verhalten gegenüber Liuruxa aus. Ihr Wirken berührte ihn nicht negativ, war allerdings belustigend und damit von positiver Wirkung. Die Leiden der jungen Werther, wie sie kamen und gingen, waren ihm nur solange ein Dorn im Auge, wie er sich ihnen widmete. Doch war es nicht positiv, sich den negativen Dingen zu widmen – und vielleicht noch gewillt zu sein sie zu beheben –, wenn sie von alleine ihren Weg aus seinem Sichtfeld fanden. Also kamen sie, wie sie gingen: ohne größere Bedeutung für Nedsur oder andere Menschen des Dunstkreises der Espita. Es war ein wenig russisches Roulett für ihn, nur dass er nicht mitspielen musste, aber dennoch zuschauen durfte.

Je toller die Zeit für Nedsur war, desto schwieriger war sie für Denger. Mit der Zeit schwand seine Bedeutung, nicht aber seine Präsenz. Er lag noch in Ketten. Wenn nun nicht die Zeit für russisches Roulett war, da Liuruxa nicht danach war, so war nicht notwendig Zeit für ihn, sondern mal etwas mehr Zeit für ihren Ehemann, Kazuga. Nicht wenige vergaßen ab und an, dass es ihn gab. Doch die Liebe zwischen ihnen und das Glück, dass es jemanden gab, der da war, wenn der Trubel vorbei und die Lichter aus waren, hielten sie zusammen. Für den viel reisenden Kazuga schien Liuruxa wie eine sichere Bank, zu der er mit Freude von Reisen zurückkam. Es wäre nicht schlecht, zu sagen, dass er sich ähnlich vergnügte auf seinen Reisen wie Espita, doch war und ist dies keinem denkbar.

Es verwundert nicht, dass auch dem geduldigen und liebenden Denger seine Realität klarer wurde. Espita hatte für Denger Gefühle, doch wollte er sie ihr zu einem Gefängnis machen. Er besaß nicht die Naivität des Kazuga und die Ruhe, wie er sie haben wollte. Immer öfter erzwang Espita Distanz und ebenso versuchte Denger öfter, sich ihrem Bann zu entziehen. Es begann eine wilde und emotionalere Zeit für Denger.

Die physische und auch emotionale Lücke füllte nun nach und nach mehr Nedsur. Er war da, um den Sog Espitas Anziehung zu bestaunen, und war ihr immer näher. Noch immer waren Nedasa und viele Männer regelmäßig präsent. Auch gab es viele Zeiten mit Kazuga zu dritt als Freunde und einige Momente mit Denger. Doch wurde Nedsur mit der Zeit zur einzigen Konstante. Der russische Sog, von dem er sich mit Distanz unterhalten hatte lassen wollen, drohte immer mehr, ihn auch zu erfassen. Denn Liuruxa wurde mit der wachsenden Nähe echter, sie wurde mehr Mensch und aus einer kalten Spielerin wurde etwas Warmes und Verletzliches hinter einer Fassade, das sich weniger Gedanken um Geld, Äußerlichkeiten und Konventionen machte als andere, dafür aber reicher an Innerem war.

Ich will an dieser Stelle Euch nicht unnötig weiterführen in die Tiefen des danach aufkeimenden Spiels der verbotenen Erotik zwischen Ehefrau und dem x-ten Buhler, Nedsur. Doch ergab es sich, um die Moral von der Geschichte zu erfassen, dass Nedsur und Espita eine Liebesbeziehung nach innen und außen zu führen begannen, nachdem alle Banden Espitas zu Denger, Kazuga und weiteren Anhängseln abgebrochen wurden. Der Raub war vollzogen – auch ohne einen Marinelli oder einen festen Plan. Gleichwohl ging auch dieser Raub schief, denn es wurde nämlich dem Dieb klar, dass Fortuna nicht nur ihm dies bei ihr ermöglichen konnte, sondern es auch jederzeit anderen ermöglicht werden konnte. Es lag nicht in seiner Hand alleine – und Fortuna ist ein wankelmütiges Weib. Nedsur wusste, dass aus einem Raub keine stabile Beziehung werden kann und so ging er und sprach: »Lebe lang – gut und gerne«[47]

Seht also, Lou, geraubte Beziehungen sind schwerer zu erhalten, und noch schwerer auszuhalten.

Beziehung zum Schein

Verlässt man sich im Leben ganz auf Fortuna, so ist man schnell dem Untergang geweiht, wenn sie sich einmal abwendet. Der Widerstand gegen sie kann, von Klugheit geleitet, dazu führen, dass man besondere Lügengebäude errichten muss. Ein Solches ist die vierte Art von Beziehung, die ich Euch hier zu erläutern versuche.

Brechts Stück vom Kaukasischen Kreidekreis wird uns nun zum ersten Mal von Wert zur Anschauung sein, denn eine Beziehung zum Schein soll hier einen besonderen Zweck erfüllen. Es geht um die Geschichte der einfachen Magd Grusche, welche in Diensten des reichen Gouverneurs Abaschwili und seiner Frau steht. Bei einem Staatsstreich wird der Gouverneur hingerichtet, wie auch viele weitere Menschen. Doch überleben vorerst seine Frau Natella Abaschwili und ihr gemeinsames Kind. Da sie beide nun in Todesgefahr schweben, müssen sie fliehen. Die Diener helfen Natella Abaschwili dabei, ihre Kleider zu packen und zu fliehen. Ihr Kind Michel, der Erbe des Gouverneurs, bleibt dabei allerdings zurück. Die Magd Grusche nimmt sich aus Mitleid des Kindes an und begibt sich dabei in Todesgefahr. Den Panzerreitern des Fürsten Kazbeki ist eine hohe Belohnung versprochen, wenn sie das Kind fassen. Grusche flieht mit dem kleinen Michel ins Gebirge. Sie muss Kälte, Hunger und weitere Unannehmlichkeiten und Gefahren wegen dem fremden Kind aushalten. Sie schlägt sich tapfer und gelangt nach einer längeren Zeit zu ihrem Bruder. Dort kann Grusche mit ihrem Kind allerdings nicht endlos bleiben und so sucht ihr Bruder nach einer guten Gelegenheit, sie und Michel unterzubringen. Wie es der Zufall will, gibt es nicht fern einen todkranken Bauern, Jussup, der nicht nur zu krank für den Krieg des Fürsten ist, sondern auch zu krank, sich gegen eine von seiner Mutter ausgewählten Braut zu wehren. Grusches Bruder zahlt für die falsche Ehe 600 Piaster und damit sind Grusche und ihr Michel, den sie zunehmend als ein eigenes Kind sieht, »respektable Leute«.[48]

Mit dieser Ehe haben sich Jussup, seine Mutter, aber auch Grusche in eine problematische Lage gebracht: Jussup und seine Mutter haben nun ein Kind bzw. Enkel durch Grusches Michel, von dem nun die Gemeinde denkt, es handele sich um ein uneheliches Kind. Auch Grusche ist in einer schwierigen Lage, da sie ursprünglich mit dem Soldaten Simon verlobt war, der allerdings aufgrund des Krieges darauf angewiesen war, dass Grusche auf ihn wartet. Diese hat nun aber sowohl Kind als auch Ehemann. Die Rettung scheint für Grusche zu sein, dass Jussup todkrank ist und bloß noch wenige Stunden nach seiner Trauung zu leben haben scheint.

Als plötzlich die Nachricht vom Ende des Krieges eintrifft und Grusche nicht einmal einen Tag verheiratet ist, steht Jussup wohlgenesen auf. Er ist kerngesund und fordert nun in rauem Ton von Grusche, dass sie sich wie eine Ehefrau ihm verhält. »O Verwirrung! Die Ehefrau erfährt, daß sie einen Mann hat!«[49]

Grusche war zum Schutz eines fremden Kindes für Formelles eine Ehe zum Schein mit einem zum Schein Todkranken eingegangen. Es ist zweifellos geschickt, den eigenen Schein zu manipulieren und nicht das eigene nackte Sein jedermann zu offenbaren. Doch es ist unklug, nicht mit dem falschen Schein anderer Leute zu rechnen. Auch eine Ehe zum Schein kann eine echte Ehe sein.

Verraten sei zu dieser Ehe bloß noch:

Sehr teuer erkauft, schwer ausgehalten –

Mit Glück und vierzig Piastern gespalten.

Vom Zusammenwohnen

Welche Höllenqual musste Leo Jogiches erleiden, als er im September 1905 kurzfristig aus Krakau nach Berlin gefahren ist, um zu schauen, ob seine Beziehung zu Rosa Luxemburg noch immer Bestand hatte?[50] Sie waren beide Revolutionäre und ihr Leben war geprägt von stets gepackten Koffern, Exil, Flucht, Haft und dem Nachjagen aller größeren Streiks oder anstehenden Revolutionen. So war Jogiches im Februar 1905 – wie so oft – nicht Luxemburgs Seite, sondern eilte zu Streiks in Polen – welches zu jener Zeit kein eigenständiger Staat war, sondern unter anderem zu Österreich und Russland gehörte. Währenddessen arbeitete Luxemburg in Berlin daran, Spenden aufzutreiben. Außerdem publizierte sie pausenlos alles, was Jogiches ihr zu schreiben auftrug. Die Beziehung bestand in diesen Wochen aus nicht mehr als einigen Briefen. Er hatte in Polen vor Ort an der Revolution zu arbeiten und reiste dort, während seine Geliebte noch gefügig für die Revolution schrieb. So gefiel es Jogiches: Er wollte immer eine gefügige Geliebte haben.[51]

Wie nicht schwer vorstellbar, litt die Beziehung unter diesen Umständen. Rosa Luxemburg wollte eine andere Beziehung. Sie wollte Gleichberechtigung, nicht eine Unterordnung unter ihm. Auch wollte sie Nähe und Zärtlichkeit. Dieses Paar hatte mal zusammengewohnt, doch Jogiches brauchte das wohl nicht so sehr wie Luxemburg. Er hatte, was er brauchte.[52] Und was er auf gar keinen Fall brauchte, war ein Kind, wonach sich jedoch Luxemburg sehnte.[53]

Wenn dies nun so klingt, als hätte Luxemburg ein bürgerliches Leben leben wollen, so wird dies ihr nicht wirklich gerecht. Luxemburg hätte gerne auch tatsächlich praktisch an der Revolution teilgenommen, direkt vor Ort – doch gehorchte sie Jogiches und blieb in ihrer kleinen Wohnung in Berlin. Sie wusste nämlich, dass das Leben einer Revolutionärin nicht ein Bürgerliches sein konnte – schon aus praktischen Gründen. Doch ein bürgerliches Leben im Sinne der damaligen wollte sie ohnehin nicht. Dies wäre schon nach ihrer Kindheit ganz anders abgelaufen:

Als Rosa Luxemburg ihre Schulbildung in Polen (bzw. Russland) als eine der Jahrgangsbesten beendete[54], konnte sie in ihrem Heimatland keine Universität besuchen, aus Gründen des Geschlechts. Zur Erinnerung: Sie erschien wie ein Menschenwesen, welches man weiblich einsortierte: Laut der Biografin Maria Seidemann war sie vielleicht nicht hübsch, doch hatte sie sanfte Gesichtszüge mit vollen Lippen und schön gewölbten Brauen.[55] Das macht noch niemanden weiblich, doch wird dies mit Weiblichkeit assoziiert. Andere, wohl in diesem Kontext bedeutendere Merkmale sprachen auch sicher auch für ihre Weiblichkeit. Damit hatte sie zu dieser Zeit ein Handycap. Dieser einen Benachteiligung gesellten sich noch ihre jüdische Herkunft, ihre materielle Armut, die Besatzung ihrer Heimat und ein leichtes Hinken hinzu.[56] Doch schaffte sie es, sich umfangreich zu bilden, zahlreiche Sprachen zu lernen und den Mut aufzubringen, unkonventionell zu denken.[57] Gleichwohl war der einer Frau vorgezeichnete Weg der in die Ehe: Sie sollte einen Ehemann finden und ihre Familie sollte eine Mitgift ersparen. Spätestens da erkannte sie wohl, dass nicht sie das Problem war, sondern die Gesellschaftsordnung.[58] Sie besorgte sich einen Reisepass und reiste für ein Studium in die Schweiz, wo es Frauen erlaubt war, zu studieren.

Das Thema Ehe war in dieser Zeit wichtig, doch nicht für sie persönlich: Für die deutsche Staatsbürgerschaft ging sie später eine Scheinehe mit einem anderen Mann ein, und diese Ehe war lediglich ein Mittel zum Zweck. Luxemburg war zwar bereit für eine Ehe mit Jogiches, doch wollte sie eine gemeinsame Wohnung und ein (uneheliches) Kind.[59] Wie es dem Geist der Zeit entsprach, war der materiell arme Vater sehr an einer Ehe seiner Tochter interessiert – immerhin war sie schon um die 30 Jahre alt. Doch Luxemburgs Vater wünschte sich, dass ihr künftiger Mann sich – wie es familiäre Pflichten erfordern (oder wenigstens nahelegen) – auch um Luxemburgs deutlich ältere Schwester kümmert und eine Mitgift bereitstellt, sodass auch sie bald versorgt war.[60] Luxemburg fand sich zwischen zwei Fronten wider, da Jogiches daran keineswegs interessiert war – er war ein wilder Revolutionär.

Doch Revolutionär hin oder her: Eine Beziehung lässt sich nicht einfach aus der Ferne führen. Luxemburg hatte Bedürfnisse: emotionale wie körperliche. Und so begann sie eine Beziehung mit einem 25-jährigen Polen, auf den jedoch noch einige weitere Affären folgen sollten. Rosa Luxemburg berichtete schon bald Jogiches, was geschehen war, so dass er sich, geschockt und aus allen Wolken gefallen, mal wieder persönlich bei Luxemburg blicken ließ, da er Qualen der Liebe litt und zu verlieren drohte, was er sicher glaubte – in der klassischen Beziehung zwischen zwei Revolutionären.[61]

Und so verlassen wir die spannenden (Liebes- und Leidens-) Abenteuer der Rosa Luxemburg abrupt mit der Erkenntnis, dass auch Liebe durch Nähe genährt werden will.

Zusammenwohnen bringt jedoch ebenso Probleme wie das distanzierte Wohnen. In Anbetracht der bevorstehenden Trennung, auf welche später noch einzugehen ist, ist die Mischung der Güter und die Vereinigung von Haushalten (u.a. zeit-) ökonomisch eine suboptimale Sache. So können sich Annukis untere Bewohner insofern glücklich schätzen, als dass ein Großteil ihrer Wohneinheiten mittlerweile aus Wohn-Containern besteht, welche beachtlich mobil sind und sowohl dem Wandel des Liebes- als auch dem Wandel des Arbeitslebens entsprechend in jeweilige Gebäudestrukturen eingefügt werden können.

Dadurch, dass es nun vermutlich keine Seltenheit ist, dass Menschen ab ihrer Mündigkeit bis hin zu ihren letzten Atemzügen einen festen Container haben werden, sind klassische Umzüge alter Tage passee.

Die neueren Modelle ermöglichen es, neben der einen Wand mit dem Eingang zur Gebäudeinfrastruktur und der anderen kurzen Seite mit Fenster in den beiden langen Seiten Türmodule einzubauen, wodurch ohne größeren Aufwand eine feste Wohneinheit zweier Menschen entsteht.

Vom Kinder-Erzeugen

Vom Nutzen eines Kindes

Ihr habt längst durchschaut, auf was ich Wert zu legen pflege: Wenn ich zeigen will, wie die Realität der Ehe die Ideale der Liebe vergewaltigt, so ist es mir das A und O, wichtigste Namen und Taten als Beleg anzubringen.[62] So will ich auch am Thema des Kinderbekommens mit großem als Beleg aufwarten, um zu zeigen, dass man eine Welt, in die man geboren wird, nicht mögen muss. Das Buch der Bücher, wie man die Bibel einst nannte, ist nicht selten ein Werk der Unmenschlichkeit. Folgende Geschichte soll zeigen, wie der Umgang mit Kindern erfolgt oder nicht erfolgt.

Im Alten Testament wird Gastfreundschaft noch großgeschrieben: Sowohl Genesis 19 als auch Richter 19 berichten davon, wie männliche Gastgeber eher ihre Töchter wilden Männern zur Vergewaltigung geben als einen männlichen Gast[63] oder Engel[64] schänden zu lassen. Im Falle des männlichen Gastes, welcher weit gereist war mit seiner Frau und seinem Knecht, war ein Gastgeber gesucht, der in der Nacht ein Dach über dem Kopf bot. Mehr brauchte der Gast, ein Levit, nicht. Der alte Gastgeber bot ihnen nicht nur sein Haus, sondern gab ihnen auch Essen und Trinken. Doch kamen dann »ruchlose Männer«[65], die das Haus umstellten und über den Mann herfallen wollten, also scheinbar eine kurzfristige und offenbar unkonventionelle Beziehung aufbauen wollten: Sie wollten den Gast vergewaltigen. Der Gastgeber fand dies – wohl verständlicherweise – unerhört und wollte den Leviten nicht der Masse übergeben. Alternativ bot er sodann seine jungfräuliche Tochter an – ebenso wie die Frau des Gastes. Ihm sollte demzufolge seine Tochter den Nutzen haben, den Gast zu schützen oder ihm einen Gefallen zu machen. Die Männer waren damit nicht einverstanden, doch der Gast warf ihnen seine Frau hinaus, welche dann die ganze Nacht von ihnen vergewaltigt wurde. Während die Tochter des Gastgebers Glück hatte, starb die Ehefrau während (oder nach) der Massenvergewaltigung. Der Levit war damit nicht glücklich und brachte die Leiche nachhause, sägte sie in Stücke und versandte sie in das gesamte Gebiet Israels, um eine Antwort seines Volkes auf diese Tat zu erhalten.

Die Tochter dieses Gastgebers kam wohl mit dem Schrecken davon. Ähnlich viel Glück hatten auch die Töchter des Lot, dem Neffen von Abraham. Lot und seine Töchter wohnten in Sodom, einer Stadt, in der unkonventionelle Beziehungen an der Tagesordnung standen. Die uns bereits bekannte Gestalt Gott ist ähnlich wie Freud kein großer Freund von solchen Beziehungen, wobei anzumerken ist, dass eine der unkonventionellen Beziehungen, die hier noch nicht erwähnt wurden, zur Zeit von Adam und Eva noch erlaubt war: Inzest (und sogar Inzucht).[66] Gott wollte den Zustand nicht dulden und hatte vor, Sodom dem Erdboden gleichzumachen. Das ist eine endgültige und auch unterhaltsame Lösung, wie sie in einem Bestseller wie der Bibel natürlich nicht fehlen darf. Allerdings wollte er den Neffen Abrahams retten. Er schickte Engel, die von Lot genötigt wurden, in sein Haus zu kommen und dort zu nächtigen.[67] Sie kamen also in sein Haus und aßen bei ihm. Jedoch kurz darauf schon wurden sie gestört, als junge wie alte Menschen vor seiner Türe standen und über die Engel herfallen wollten. Lot hatte, wie schon der Gastgeber in Richter 19 dafür kein Verständnis, dafür aber eine Jungfrau parat – und nicht nur das: Er hatte gleich zwei jungfräuliche Töchter, die er der Masse anbot. Wieder war die Masse nicht zufrieden, und so wurde Lot verprügelt. Die Engel griffen nun ein, entfernten Lot mitsamt der Töchter und weiteren Familienmitgliedern mit etwas Magie aus der Stadt. Gott zerstörte Sodom – und auch die Nachbarstadt Gomorra.

Im Übrigen füllten die jungfräulichen Töchter ihren Vater Lot wenig später mit Wein ab und hatten Sex mit ihm und wurden schwanger – um den Fortbestand der Menschheit zu sichern, also aus edlen Motiven. Von diesem fragwürdigen Vergnügen bekam Lot nichts mit und wurde damit nochmals Vater und dazu Großvater in einem.

Kinder werden – jedenfalls weibliche und jungfräuliche – folglich gerne eingesetzt für ganz besondere Zwecke – so zeigt es die Bibel. Man kann aber nicht erwarten, dass man seine Töchter heutzutage so wirklich einsetzen kann oder würde. Es wird kaum ein Mensch anzutreffen sein, der einer Masse von Männern seine Töchter opfern würde, um einem Gast Schutz zu gewähren oder ihm zu gefallen. Töchter sind auf diese Weise nicht zu gebrauchen. Es ist keine Realität.

Jetzt kehren wir zurück zu Brechts Kaukasischen Kreidekreis: Grusche ist verheiratet mit Jussup, obwohl sich ihr Herz nach Simon sehnt. Dazu hat sie ein fremdes Kind, Michel, den sie immer mehr als ihr eigenes sieht. Nach dem Krieg tauchen sowohl Simon als auch Natella Abaschwili wieder auf. Für Abaschwili, der ihre Kleider vormals wichtiger waren als ihr Sohn, ist es nun wieder sicher und sie braucht das Kind, um ihre Ansprüche auf die Güter ihres verstorbenen Mannes geltend zu machen. Und Simon ist der enttäuschte Ex-Verlobte, welcher im Krieg auf seine wartende Grusche hoffte. Die Lage ist eigentlich hoffnungslos, doch der schalkhafte Richter, der mit Glück die Richterrobe erhielt, fällt ein salomonisches Urteil, nachdem er die Abaschwili und Grusche mehrfach Michel aus einem Kreidekreis ziehen hat lassen. Die fürsorgliche Grusche ließ Michel jedes Mal los, um ihm keine Schmerzen zu bereiten, während Abaschwili durch Michel den Wohlstand alter Tage mit aller Kraft zurückholen wollte. Azdak weist Grusche den kleinen Michel zu und lässt die Abaschwili-Güter dem Gemeinwohl zukommen. Dabei lässt er vorgeblich aus Versehen Grusche von Jussup scheiden und schafft Grusche, Simon und Michel ein gutes Ende.

Was wir hier sehen, ist, was Kinder sind und wie man sie sehen muss. Das Bild der Abaschwili ist nicht als realistisch zu betrachen. Kinder bringen die Gefahr mit sich, wie Grusche erfahren musste, dass man sich für sie in Gefahren begibt und sie höher schätzt und schützt als sich selbst. Grusche begab sich in Todesgefahr und konnte Michel nicht einfach ablegen wie ein Kleid, auch war er von keinem materiellen Wert für sie. Qualen und Arbeit sind das Resultat beim Kinderbekommen.

Vom Nichtnutzen eines Kindes

Menschen eines anderen Alters als das unsere teilen nicht unsere Passionen. Sie spielen andere Spiele, sie trinken anders und sie denken anders. Während übermäßig alte sich ihren Krankheiten widmen und an die Vergangenheit denken, machen Jünglinge unreife Albereien und Narrenpossen und träumen von der Zukunft. Wo viel Vergangenheit ist, verfällt man dieser; wo viel Zukunft ist, verfällt man jener. Die Unterschiede zwischen Menschen unterschiedlichen Alters sind groß, die Unterschiede zwischen Menschen unterschiedlicher Generationen größer. Die Neigungen trennen, die Erfahrungen trennen. Der Umgang ist schwer, viel trennt.[68]

Kinder sind nicht nur Menschen einer anderen Generation, sie sind dazu diejenigen Menschen, die uns ersetzen, die an unsere Stelle treten, wenn wir von der großen Bühne treten. Doch nicht erst mit unserem Tod, sondern schon zuvor ersetzen sie uns. Kaum sind sie da, brauchen sie unsere Ressourcen. Ihre Bedürfnisse fordern die unseren heraus. Falls wir es nicht merken, so liegt das daran, dass unsere Natur uns selbst den Willen gab, uns zu ersetzen.

Davon wusste auch Sigmund Freud ein Lied zu singen, der es kaum eiliger hätte haben können, in die Ehe zu kommen. Vier Jahre lang musste er verlobt sein, da seine Finanzen eine Hochzeit nicht eher erlaubten. Freud musste sogar zeitweise davon ausgehen, dass es 15 Jahre bis zur Trauung dauern würde.[69] Als es am 13. September 1886 endlich klappte und Martha und Sigmund Freud verheirateten, waren sie ein glückliches und ansehnliches Paar. Das Warten hatte sich gelohnt und sie versprachen sich eine gute Zukunft. Noch Jahre zuvor wusste Freud, welchen Einfluss Kinder auf ihr Leben haben würden: Dem Mann entsteht ein Nebenbuhler im eigenen Haus und man bekommt Arbeit – ebenso wie die Frau.[70] Kinder sind eine Belastung in jeder Hinsicht. Allerdings schaffte es Freud dennoch, ein zärtlicher und liebevoller Vater zu werden und mit der Anspruchslosigkeit, in die sie auch durch die Kinder gezwungen waren, gut zu leben.[71]

Vom Leid durch die Last der Verantwortung

Dem Willen, uns zu ersetzen, wollen wir folgeleisten so gut wir können. Doch das ist das nächste große Problem. Wir sind überfordert mit dem Uns-Ersetzen. Unser eigenes Leben ist zum größten Teil geschrieben, bevor wir darüber nachdenken können, ob dies wirklich stimmen mag. Doch ersetzen wir uns durch Leben, welche wir praktisch vollkommen mitgestalten können. Wir bestimmen, welche Möglichkeiten sich dem Kind eröffnen, welche Fertigkeiten es erlernen wird oder wie sein Charakter wird. Wir beginnen mit vollkommen infantilen, nutzlosen und so beschränkten kleinen Wesen, dass wir an sie nicht einmal den Anspruch erheben, sich moralisch oder gesittet zu verhalten; sie dürfen laut herumschreien und dabei die gesamte Menschheit stören; sie dürfen unsinnige Laute von sich geben und dabei machen wir, besonders als grundlos stolze Eltern noch gerne mit. Aus diesen kleinen Wesen, aus denen zunächst einmal nicht notwendig etwas Besonderes werden würde, muss man nun Menschen formen, sie die notwendigen Erfahrungen mit Mitmenschen machen lassen und sie bilden bzw. vor allem sie sich bilden lassen. Nicht aus Nichts, sondern sogar aus etwas Störendem soll ein Elter – Oder vielleicht sogar zwei Eltern – einen positiven Menschen machen, der eine Bereicherung ist, für sich und vielleicht sogar für mehr zu gebrauchen ist.[72]

Die Erziehung öffnet dabei Türen oder setzt Schranken – und die Zeit dafür ist schneller vorbei als so mancher realisiert. Wird das Kind in den ersten Jahren an Musik herangeführt? Lernt es frühzeitig eine zweite Fremdsprache? Darf es in der Kindergartenzeit an Computer? Macht es genügend – und richtigen – Sport in der Kindheit? Wird es genügend soziale Kontakte haben? Wird es genügend Neugierde geweckt bekommen haben? Wird es gewaltfrei und liebevoll erzogen? Wird es genug Kontakt zu Natur haben?

Das Wissen ist vielleicht nicht groß, doch das Wissbare ist größer und überfordernd. Die Folgen der ersten Kindheitsjahre: Wird es ein absolutes Gehör haben? Wird es als Erwachsener einige Jahre später oder früher Demenz haben? Wird es gut lernen können? Wird es mit modernen Techniken vertraut sein? Wird es fettleibig? Wird es Haltungsschäden haben? Wird es sozial auffällig? Wird es gesunde (un-)konventionelle Beziehungen zu Mitmenschen führen? Wird es gebildet sein? Wird es rauchen? Wird es intelligent werden?[73]

Schon schon der Herr wusste, sollte man Menschenwesen nicht einzeln halten. Was für Adam gilt – und auch für das gemeine Haustier –, gilt natürlich auch für das einfache Kind: Einzelhaltung ist nicht menschenwürdig. Es braucht sein Eva-Mitlebewesen. Während ein Kind schon bindet wie fast nichts anderes in der Welt, braucht es doch noch mindestens ein zweites.

Im Übrigen: Bei aller Last, die Kinder verursachen, wurde noch nicht einmal erwähnt, wie die finanzielle Last aussieht. Doch dies zeigt recht anschaulich Büchners Werk Woyzeck, wie später noch gezeigt werden wird.

Vom Familiengeschäft

Als die Beziehung zwischen Yblue Kazuga und Liuruxa Espita auseinanderging, wie es dem aufmerksamen Beobachter keine Überraschung war, ging ein nicht unbedeutender Teil der Zuffin AG an Espita. Denn als Kazugas Mutter ihm große Anteile am alten Familienunternehmen schenkte, war Kazuga von der Liebe so geblendet, dass er keinen Schutz rechtlicher Art von Espita forderte. Er vertraute auf die Liebe so sehr, er verwendete keine Sekunde damit, an reale Möglichkeiten von negativem Ausgang zu denken. Und so steht nun zu befürchten, dass eines Tages nicht nur Espita, sondern auch ein Neuer an Espitas Seite in Angelegenheiten der Familie Kazuga und ihrem Familienunternehmen mitreden wird. Was ein schmerzhaftes, aber schnelles Ende hätte sein können, ist nun Schmerz mit Zukunft. Von solchen Beispielen gibt es genügend, so hüte sich also, wer kann, vor unbedachtem Vertrauen auf die Liebe.

Auch die Geschichte von den Abaschwilis in Brechts Kaukasischem Kreidekreis hat gezeigt, wie die Folgen aussehen können, wenn zwei Sphären nicht gut getrennt oder schwer zu trennen sind. In dem Fall wird die entstandene Beziehung zwischen Grusche und Simon, sowie Grusche und dem Abaschwili-Sohn Michel angegriffen:

Zum einen ist der Sohn Michel mit der politischen Macht des Gouverneurs verbunden und somit bei dem Putsch in Lebensgefahr und zum anderen ist Natella Abaschwili nur durch den Sohn Michel berechtigt, an das Vermögen ihres toten Gatten zu kommen. Die Mischung der Sphären menschliche Beziehungen und Ökonomie bzw. Politik ist hier das Problem. Doch natürlich hatte der Gouverneur keine echte Möglichkeit, einfache Beziehungen aufzubauen oder dem in dieser Hinsicht gut vorzubeugen.

Durchmischte Sphären schaffen zusätzliche Komplexität, wo doch Liebe und Menschen und erst recht menschliche Beziehungen selbst schon komplex genug sind.

Vom Verhalten in der Beziehung

Vom Ideal und vom Nutzen

Nun also komme ich, wie es an der Reihe sein muss, dazu, welches Verhalten sich für einen Ehegatten oder einer Ehegattin gebührt. In Unkenntnis über die Vielzahl der Ratgebenden und ihrer Empfehlungen bin ich keineswegs dabei. Es scheint daher umso mehr so, als wäre ich hochmütig, wenn ich meinte, ich hätte dem noch etwas hinzufügen; noch schlimmer ist der Anschein, wenn ich nungleich beginne, dem wohl bewährten Schriftgut zu widersprechen. Doch dies will ich tun, nicht ohne Demut allerdings. Ich schreibe so und kann nicht anders, da es meine Absicht ist, Nützliches und Wahres zu schreiben. Wie sich die Dinge wirklich verhalten und nicht was mancher Idealist gerne für wirklich halten will, davon will ich reden, da man nur dem Realen im Leben begegnen wird. Die Diskrepanz zwischen dem Idealen und dem Realen ist groß[74], die Lücke klafft weit auseinander, so findet man sich durch falsche Ratgeber am Boden des tiefen Jammertals wieder, während der, welcher das Träumen den Nächten allein überlässt, oben thront. Ein Guter unter Schlechten hat zu leiden, kann er die Schlechten doch nie meiden. Ein Schlechter unter Schlechten kann siegen, doch nie verwundert verlieren; unter Guten jedoch kann er nur triumphieren. Einem Ehepartner ist zu raten, will er oder sie nicht verlieren, die Fertigkeit zu erwerben, gut zu sein wo es möglich ist und davon abzuweichen wo es nötig ist. Von allen Träumereien des Tages vom guten Menschen abzusehen und offen umher zu schauen ist obligat; das grelle Licht der Wahrheit verblendet nicht – es weist den Weg, es ist daher nicht zu meiden. Wer nicht nur des Nachts träumt, erleidet über das natürliche Leid der menschlichen Existenz hinaus noch größeres Drangsal – ein Größeres ist nicht er- und überlebbar.[75]

Wie groß die Not ist, welche entsteht durch das Auseinanderklaffen zwischen Realität und Idealen zeigt sich sicher am besten in der Welt des Geschlechtlichen, doch auch die politische Welt zeigt es regelmäßig. Wenn man sich ab 5.700 NZ beschwerte, dass Prinzipienlosigkeit herrscht, weil die damals immer mehr wachsende Zahl der Geflüchteten dafür sorgte, dass die Anzahl der sicheren Herkunftsländer immer größer wurde, so ist dies nichts weiter als eine Kluft dem Anschein nach: Es gibt immer Prinzipien nach denen wir handeln, doch dies sind nicht immer diejenigen, nach denen wir handeln wollen – oder vorgeben, handeln zu wollen. Dies sind gesellschaftliche Dissonanzen.

Unnütze Ideale oder schlecht begründete sollen nun leiden. Das Normative soll zugrunde gehen, wo es ohne Nutzen ist. Im Folgenden soll der Hass auf sie genährt werden, um dann richtige Entscheidungen zu ermöglichen durch den vom Hass geschärften Blick.[76]

Wie man treu bleibt

Unter Verliebten soll man es nicht, unter Eheleuten darf man es nicht: Die Liebe des Partners anfeuern durch das bewusste Erzeugen von Eifersucht. Denn die Hochachtung, die eine Beziehung tragen soll, darf nicht mit schiefen Mitteln erzeugt werden, so meint es Knigge, und so scheint es recht.[77] So kommt es denn auch recht daher, wenn die Mutter Emilia Galotti davon abbringt, ihrem Verlobten vom Interesse des Prinzen zu erzählen. Die Mutter weiß nämlich, dass es nichts bringt, jemanden für nichts und wieder nichts unruhig zu machen.[78]

Eifersucht muss nicht immer berechtigt sein, doch veranlasst durch Untreue, insbesondere körperlicher, wird sie als so berechtigt wahrgenommen wie keine sonst. So rät Knigge Ehegatten, gefährlichen Gelegenheiten aus dem Weg zu gehen, bei denen es Frauen ein Leichtes wäre, ein wildes Feuer der Versuchung zu entzünden. Auch ein redlicher Mann hat große Schwierigkeiten mit festen Grundsätzen, wenn die treue Gefährtin daheim und die Fremde nah ist. Die inneren Mängel der Fremden bleiben dem Mann nicht nur unbekannt, sondern er muss sich mit ihnen auch nicht beschäftigen. Das Reizvolle und das Vergnügliche sind präsent und die Leidenschaft und die greifbare Versuchung stoßen Männer nicht ab. Meister zu sein über die eigenen Begierden ist eine ebenso große wie seltene Sache, daher sind solchen Gelegenheiten und Verführungen auszuweichen[79] – will man treu sein. Davon, ob Untreue die häusliche Ruhe stört, wird an anderer Stelle zu berichten sein.

Zurück zu Casanova, der nun endlich in das Heiligtum der Signora F. eindringen durfte: Als Casanova nach Tagen endlich ihr richtig näher kam, war sie es, die untreu war. Doch soll dies hier nicht das Thema sein. Sie leistete nun erstmals keinen Widerstand, als Casanova ihre Körper zu vereinigen versuchte. Er drang auf dem Bett in sie ein und sie küssten sich. Die Leidenschaft bestimmte das Geschehen und Casanovas Seele schwamm im Glück. Er spürte ihre Hingabe und konnte glücklicher nicht sein. Sie sahen sich in die Augen und sie glühten von Liebe, eine Liebe, die endlich auch körperlich wurde. Ganz plötzlich in diesem Moment der Ekstase entzog sich die Signora dem Casanova. Der Moment der Freude war schon zu Ende. Das Glück ging schneller, als es gekommen war – ohne Vorwarnung. Noch mitten im Akt stieß sie ihn zurück und entfernte sich aus dem Bett. Er begriff nicht, was geschah, während Signora F. schon mit kühlem Verstand agierte. Sie erklärte dem verstörten Casanova, dass nicht geschehen dürfte, was eigentlich schon geschehen war. Das abrupte Ende des Liebesaktes war für Signora die notwendige Errettung. Für Casanova war dies weniger eine Errettung als vielmehr eine widernatürliche und unerklärliche Katastrophe. Er konnte nicht verstehen, wie man mitten im Liebesakt aufhören will und es dann auch noch vollbringen kann. Casanova verließ schnell das Zimmer und ließ Signora F. zurück.

Draußen sah er Melulla, eine Kurtisane. Sie war ihm weder so schön noch so reizvoll wie seine Signora, welche ihn Minuten zuvor noch zurückstieß, wo er doch schon in ihre Heiligkeit vorgedrungen war und sich geliebt und beglückt sah. Casanova ging zu ihr zum Reden; ihm war klar, dass schon die halbe Stadt bei ihr gewesen war und ihren Reizen erlegen waren. Casanova blieb kalt, als Melilla ihre Reize zur Schau stellte, obwohl sie mit ihnen spielte und darin auch sehr geschickt war. Sie wollte von ihm nicht verschmäht werden und wurde es dann auch nur kurz. Während das Erobern einer Dame ein Marathon ist, bei dem Viele antreten in der Erwartung es sei ein Sprint und dann in Kenntnis über die zuvor ungeahnten Mühen abbrechen[80], ist das Erobern eines Mannes ein Sprint, bei dem Viele trotz oder gerade wegen dieser Kenntnis nicht antreten. Casanova erlag nicht der Versuchung, Rache an Signora zu üben, er erlag auch nicht dem Wert, den er Melulla beimaß, sondern der Schwäche seines Geistes und der Stärke des Triebes. Ohne zahlen zu dürfen, da Melulla ihren Sieg als Nutzen genug genoss, ging Casanova und verachtete sich sofort.

Als er bei der nächsten Gelegenheit Signora F. gestand, welchen Verbrechens er sich schuldig gemacht hatte, erfuhr Signora, was sie schon ahnte und in seinen schuldbewussten Augen lesen konnte. Traurigkeit und Kummer hatte sie beide im Griff. Doch vergab Signora ihm seine Schuld und sie versprachen einander wieder alle Zärtlichkeiten. Das Ende dieser Liebschaft ereilte ihn, bevor es zu weiteren Zärtlichkeiten kommen konnte: Er hatte sich, wie so oft in seinem späteren Leben, bei seinem Vergnügen mit Melulla eine Geschlechtskrankheit zugezogen und verfluchte leidend unter dem brennenden Unglück die Elende, der er dies verdankte. Mitleidig verließ Signora F. die Stadt und sie sahen sich nie wieder.[81] Am Ende blieb Casanova nicht mehr als die Gewissheit, dass er noch jung war und ihm noch so manches vergönnt ist.

Knigge ist also zuzugestehen, dass es ein Übel ist, sich in gefährliche Gelegenheiten zu begeben und auf die eigenen Grundsätze und einen eisernen Willen zu vertrauen. Wer treu sein will, muss Vorkehrungen treffen und darf sich nicht überschätzen. Wer tatsächlich, aufrichtig meint, nur zum Reden zu einer Prostituierten zu gehen, wird dort selten bloß reden. Ebenso ist es mit sexuell attraktiven Menschen auf Partys mit viel Alkohol.

Casanova unterlief, wenn man Sigmund Freud fragt, ein besonderer Fehler: Unter den von Freud beschriebenen Liebesbedingungen, also den Eigenschaften von Gelegenheiten, ein Begehren zu entwickeln, nennt Freud als zweite Bedingung die so genannte Dirnenliebe. Dabei gewinnt ein weibliches Wesen an Anziehungskraft umso mehr, je verruchter ihr Ruf ist. Gewinnt man den Eindruck, dass eine Frau dem Flirt nicht abgeneigt ist oder generell leicht zu haben ist, so übt sie einen besonderen Reiz aus. Ein keusches Weib wird nach Freud daher nicht so leicht zum Liebesobjekt. Eine Hetäre, deren Handwerk das nahe körperliche Miteinander und das Hineinlassen von Männern in ihre Heiligkeit ist, weiß nicht nur geschickt mit ihren Reizen umzugehen, die Metze gewinnt auch an Anziehungskraft gerade wegen oder trotz dieser Tatsache.[82] Als Casanova das Freudenmädchen Melulla also nicht bloß sieht, sondern zu ihr kommt, sind die Würfel gefallen – ob er es wusste oder nicht. Die Versuchung, mit Versuchungen zu spielen ist nur existent durch die Gefahr, an ihr zu scheitern; der vernunftbegabte Geist weiß um die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns, doch will der Körper davon nichts wissen.

Man sollte, so man sich diesem Ziel wirklich unterwirft, den Kontakt zu den Gefahren aus dem Weg gehen und sich nicht in Versuchung führen. Denn wer ist schon stark genug in solchen Situationen? Auch scheint es ratsam vor Kontakt mit vermeintlich gefährlichen, sexuell potenziell interessanten Menschen zu prüfen, ob Bedürfnisse akut werden könnten, oder ob man präventiv Besorgungen zu diesem Zwecke unternehmen kann – alleine, falls Partner nicht zur Hand.

Wie schwierig das Treubleiben ist, zeigt auch dieses Beispiel: Der 1889 geborene Philosoph Martin Heidegger lernte 1915 seine Frau Elfride Petri kennen. Seine Ehefrau brach für ihn ihr Wirtschaftsstudium ab und wurde voll und ganz seine Ehefrau. Davor war sie noch eine selbstständige und unabhängige junge Frau gewesen, welche alleine England bereiste und vielen Hobbys nachging.[83] Als Heidegger 1923 eine Professur in Marburg erhielt, kam er schnell zu Ruhm, da er wie ein Rebell dachte und wirkte. Sein Ruf zog viele junge Menschen an – so auch 1924 die 18-jährige Hannah Arendt. Arendt war fasziniert von Heideggers Denken, allerdings auch von seiner Person. Ebenso war Martin Heidegger von ihr begeistert: Sie war schön, klug, scheu, selbstbewusst und anders als ihre Kommilitoninnen.[84] Sie besuchte seine Vorlesungen und meldete sich zu einer Sprechstunde an. Heidegger und Arendt wahrten, obwohl schon kurze Zeit nach ihrem Kennenlernen emotionale Nähe spürbar war, noch eine gewisse Distanz und Förmlichkeit. Doch schon wenige Monate später ist die Distanz dahin, sie redeten von Liebe, duzten einander und gaben sich dann auch der Leidenschaft völlig hin. Sie führten eine Beziehung im Geheimen, da Heidegger seine Elfride Petri und zwei Kinder zuhause hatte.[85] Nach außen hin mussten sie distanziert bleiben, doch innerlich waren sie von der Liebe eingenommen. Sie trafen sich also nach seinen Vorträgen, bei denen sein Publikum im Gegensatz zu Arendt meist sowieso nichts verstand, ihn dennoch hören wollte, im Geheimen. Sie schienen füreinander gemacht, im Denken waren sie einander nah, auch im Fühlen.

Heidegger brachte mit dieser Affäre Unordnung in sein Leben und ließ sich ablenken, obwohl er schon im Vorfeld wusste, dass er selbst oder Hannah im Leben des anderen zerstörend oder hemmend wirken werden könnte.[86] Die Gefahr wurde gesehen und das Risiko wurde eingegangen. Wollte Heidegger seiner (auch nicht treuen) Ehefrau nicht (noch einmal) fremdgehen, so hätte er seinen Kontakt zu der schönen Gefahr anders steuern können. Doch man darf wohl davon ausgehen, dass er nicht unbedingt treu sein wollte: Zum einen wusste er von einem Verhältnis seiner Frau und zum anderen war er nicht das Erste mal untreu. Zudem stellt sich immer die Frage, welche Folgen die Untreue in einem konkreten Fall haben würde.

Ebenfalls hilfreich für die Treue sind Maßnahmen, die unattraktiv gegenüber anderen Menschen machen. Nicht wenige Menschen sind beispielsweise abgeschreckt von Personen, die zwar auf Hygiene des Körpers und Sauberkeit der Klamotten Wert legen, aber weniger darauf, welche Arten oder Farben von Bekleidung die Gesellschaft in der jeweiligen Epoche gerade fordert. Dabei ist natürlich zu bedenken, was der eigene Ehepartner selbst angenehm finden mag. Dies ist auch eine Möglichkeit, einen bestimmten Schlag von Menschen auszusortieren, die gar nicht erst in die Nähe kommen würden, weil sie anders denken. Doch Euch wird man damit natürlich nicht abschrecken.

Davon, ob man das Fremdgehen verschweigen soll

Es ist gewiss sehr nachvollziehbar und etwas Menschliches, vom Ideal der körperlichen Treue abzuweichen. Es bedarf keiner großen Künste, Verheiratete, Jahre nach der Eheschließung, zu kleinen Herzensverirrungen zu führen.[87] Ein wildes Feuer durch frische Versuchungen wird entfacht. Wer tut so wohl, sich die nötige Festigkeit nicht zuzutrauen? Wer urteilt so weise, sich der eigenen Stärke des Geistes sicher zu sein? Wer tut so wohl, sich dem zu entziehen, was Bestätigung und Glückseligkeit bloß zum Preis des Spielens mit dem Feuer der Untreue verspricht?[88] Wer folgt Knigge und lässt die potenzielle Affäre nicht zum Bedürfnis werden – und meidet den Menschen, der einem gibt, nach was man sich, an jugendlich romantische Zeiten erinnert, wieder sehnt? Feste Grundsätze und vom Verstand geleitete Handlungen können, wie die Erfahrungen lehren, nichts ausrichten gegen süße Versuchungen ansprechender Blicke und Körper. Die moralische Schwäche im Angesicht der körperlichen Triebe ist sehr natürlich; es ist das Menschliche, was uns fordert und uns scheitern lässt.

Es ist freilich ein Gebot, die häusliche Ruhe und den Frieden unter Eheleuten zu wahren, doch ist vielen, wenn man sie fragen würde, das Vertrauen von eindeutig größerem Wert. So scheint es keine Frage zu sein, ob man Fehlverhalten, entsprungen den natürlichsten menschlichen Lastern, beichtet. Es sei wohl die vor dem Traualtar versprochene Pflicht, die es stets zu erfüllen gilt.

Ehrlich zu sein ist besonders zwei Arten von Menschen zu raten: Der erste Typ Mensch sollte ehrlich sein, da er kein gutes Gedächtnis hat. Wer unehrlich ist, kann nicht auf Reales zurückgreifen beim Reden. Er muss Dinge erfinden. Der Bezug zum Erfundenen ist in der Regel deutlich geringer als der Bezug zum Realen, was mit echten Sinneseindrücken und Gefühlen erlebt wurde. Die Wahrheit merkt man sich einfacher als eine Lüge. Je phantasievoller man sich gibt beim Lügen, je weiter man abweicht von der Wahrheit, desto schwieriger ist es. Hat man ein gutes Gedächtnis, fällt es nicht schwer, Lügen aufrecht zu erhalten. Man kann natürlich mit etwas Intelligenz Lügen basteln, die nahe an der Realität sind und vielleicht nur marginal von der Realität abweichen – oder nur in Interpretationen von Wörtern abweichen. Intelligenz oder ein erprobtes Gedächtnis machen das Lügen einfacher. Wem dies nicht zur Verfügung steht, sollte einmal mehr zur Wahrheit greifen.

Von der zweiten Art Mensch, der es zu empfehlen ist, die Wahrheit zu sagen, ist Geraint Anderson, ein bekannter Ex-Banker und Ex-Cityboy: Er trifft in seinem Berufsalltag regelmäßig auf Jane Carter, die er folgendermaßen beschreibt: »Sie war ein feuchter Traum – und doch ein Mensch aus echtem Fleisch und Blut. Sie war purer Sex. Sie war die personifizierte Lüsternheit.«[89] Für sie nannte er das Kapitel »Das Flittchen«. Anderson war also hin und weg von dieser Frau. Sie erschien ihm perfekt: leidenschaftlich, beherrscht, stilvoll, sexy und doch verletzlich. Sie bot eine Spannung, sie war perfekt. Es gab nur ein Problem: Sie schüchterte ihn ein. Er wagte es kaum, in ihrer Nähe zu reden, sie spielte für ihn in einer anderen Liga. Er war immer zu nervös, denn er begehrte sie mehr als alles andere. Doch eigentlich gab es noch ein Problem: Claire. Sie war seine Freundin. Sie passten wunderbar zusammen: Seelenverwandtschaft und pures Glück.

Abweisende attraktive Frauen scheinen nur schwer ihren Reiz zu verlieren. Dies ist nun wiederholt zu sehen. So kann auch Anderson seine Gedanken nicht von Jane Carter lassen. Und es lohnt sich, am Ball zu bleiben: Fortuna oder hier Jane gab ihm die Möglichkeit, näher zu kommen, und belohnte seine Geduld. Sie spielte mit ihm und gab dem, der schon fast keine Hoffnung mehr hatte, das Gefühl, der König zu sein. Aufs Flirten folgten heiße Küsse und darauf leidenschaftlicher Sex. Da in seiner Wohnung noch eine Freundin wartete, konnte auf den Sex kein längeres Kuscheln von in Schweiß und Glück gebadeter nackter Körper folgen. Und mit diesem ersten Mal der Affäre begann das Drama: Er musste lügen, Geschichten erfinden, den Puls im Griff haben, sein Gesicht unter Kontrolle halten und sich an Geschichten erinnern. Er war dafür nicht gemacht. Er konnte nicht gut lügen, denn er war zu schnell nervös und rot im Gesicht. Dieser zweite Typ von Mensch sollte ebenso wenig lügen, da in diesen Peinlichkeiten jede Selbstachtung verloren gehen kann.

Für diese Menschen ist dann das Rationalste, Lügen zu lernen, treu zu bleiben oder ehrlich zu sein. Man kann alles machen, doch eines reicht. Beispielsweise ist es recht angenehm, wenn man den Schein, treu zu sein, leicht aufrechterhalten kann und es doch nicht ist – wenn man es nicht will. Auch ist es hilfreich, den Schein zu erwecken oder fördern, begehrt zu sein, da dies Spannung und Wert steigert. Dabei ist anzuraten, zu tun als wäre man offen und demütig, da dies entwaffnet. Nicht unklug ist es, sich Geheimnisse von geringer Brisanz auszudenken, die man zum Lügen lernen nutzt und bei Erfolg beizeiten gestehen kann, um geringe Übel von sich offenherzig preiszugeben, während dies im Geheimen zu einem Plan der Kontrolle über die Lage und der weisen Voraussicht gehört. Wer plant, antizipiert und eher agiert, hat den Vorteil auf seiner Seite. Man muss immer damit rechnen, dass Mitmenschen nach Geheimnissen suchen und misstrauisch sind. Dem beugt man vor, in dem man falsche Fährten legt oder mit vermeintlicher Reue und großen Gefühlen gesteht, welche Verbrechen man begangen hat – nur um dann dem Ehegatten zu zeigen, wie offen man doch ist und wie wenig Schlechtes doch in einem ist.

Ob man das Fremdgehen verschweigen sollte oder nicht, hängt nicht bloß davon ab, ob man selbst mit Lügen umgehen kann oder nicht. Die Folgen sind zu bedenken. Dies wird am besten veranschaulicht mit den Äffären der Kennedys, einer der wichtigsten Familien des politischen Betriebs in den USA. Joseph Kennedy, der erste wirklich politisch Einflussreiche des Clans, lebte von 1888 bis 1969 und heiratete 1914 Rose Elizabeth Fitzgerald. Er begann früh, wirtschaftlich ein Imperium aufzubauen, und ließ kaum eine Geschäftsmöglichkeit ungenutzt. Sie war eine loyale, treue, stille und wirklich fromme Katholikin. Zusammen bekamen sie eine Vielzahl an Kindern, unter anderem John Fitzgerald Kennedy, den späteren US-Präsidenten, sowie Robert Francis Kennedy, den späteren US-Justizminister und Senator, und Eunice Mary Kennedy, die Mutter von Arnold Schwarzeneggers Ex-Frau Maria Shriver. Joseph Kennedy strebte im Alltag nach immer mehr wirtschaftlicher und politischer Macht und Rose ging täglich in die Kirche und führte den Haushalt stoisch und diszipliniert, und sie verrichtete ihre Arbeit für die Familie treu und loyal aus. Weniger treu und loyal war Joseph Kennedy: Er verkehrte viel mit anderen Frauen. Joseph verheimlichte es nicht nur nicht, sondern er prahlte mit seinen neuen Eroberungen und Erfolgen ganz offen. Er hatte es nicht nötig, irgendwas zu verschweigen, obwohl seine Ehefrau darunter sehr litt. Rose ertrug es eisern und lernte, mit seiner respektlos offenen Untreue umzugehen. Joseph hatte seiner Frau nicht einmal den Wunsch erfüllt, etwas diskreter mit seinen Affären umzugehen.[90] Er wusste, dass er sich alles erlauben konnte. Warum in aller Welt sollte er sein Fremdgehen verschweigen, wenn er weder Mitleid mit seiner Frau hatte, noch Probleme mit seinem Ruf? Für ihn wäre Diskretion nur der Verzicht auf die Freude des Prahlens gewesen. In seinem Fall ist Schweigen Silber, Reden Gold.

Aus heutiger Perspektive ist Joseph Kennedy sicherlich eine Ausnahmeerscheinung, die an Respektlosigkeit kaum zu übertreffen ist. Doch zu dieser Zeit war es keine Ausnahme, und der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. John F. Kennedy hat wohl immer seine Mutter Rose dafür bewundert, wie sie zu seinem Vater hielt und alles ertrug.[91] Er musste ihr Leid gesehen haben und doch verlangte er von seiner Frau kaum weniger. Jackie Kennedy musste keine Prahlerei ihres Mannes mit Affären und Geschichten ertragen, doch ging er fremd und ihr gesamtes Leben war zu jeder Zeit von großem Interesse für die Öffentlichkeit. John F. Kennedy verschwieg Jackie seine Affäre mit Marilyn Monroe und stritt sie auch noch ab, als Jackie ihn bat, seine Affäre mit Monroe zu beenden.[92] Jackie ging es nicht einmal um ihre eigenen Gefühle, als sie von ihrem Mann verlangte, die Affäre mit Marilyn Monroe zu beenden: Die Wahlen standen bevor, und diese Affäre schien ihr gefährlicher zu sein als seine anderen Frauengeschichten, schließlich stand nicht nur er, sondern auch die Schauspielerin im Rampenlicht unter ständiger Beobachtung.

Vermutlich wäre auch hier ein Verschweigen nicht nötig gewesen. Welche Folgen hätte es gehabt? Jackie wusste Bescheid über Marilyn Monroe und auch über andere Frauen – und sie erduldete den Großteil davon. Die einzige Gefahr war die Öffentlichkeit gewesen – Medien und die Wähler. Dass politische Ehen Untreue überleben können, zeigen auch Beispiele in minimal jüngerer Geschichte, in den USA wie auch in Europa.

Damit ist auch klar, auf welche Weise Ehegatten Wort halten müssen: Haben sie die Fähigkeiten zum Wortbruch nicht, so gehört es sich nicht. Sind sie jedoch geschickt und ein Nutzen ist zu erwarten, so ist Ehrlichkeit kaum in Betracht zu ziehen.

Davon, ob man das Fremdgehen verzeihen soll

Als Espita sich in einer festen und monogamen Beziehung wiederfand, erschrak sie. Sie hatte sich davor schon länger nicht mehr in einer solchen Abhängigkeit zu einer einzelnen Person gesehen. Sie war Nedsur treu gewesen und sie hatte diese Treue auch nie bewusst infrage gestellt. Es hatte sich natürlich angefühlt. Es war gut gewesen. Doch als Espita das realisierte, war sie entsetzt darüber, da es nicht ihrem eigenem Bild von sich entsprach – jedenfalls lange nicht mehr. Sie war keine abhängige Person, sie war frei. Wie es ihr beliebte, konnte sie doch mit diesem und jenem Menschen Spaß haben und Beziehungen aufbauen oder einfach abbrechen. Auch in das Bild, welches ihre beste Freundin Nedasa, eine schon erwähnte Freundin von mir, von Espita hatte, schien auf einmal der Realität zu widersprechen – oder umgekehrt.

Die Beziehung von Nedsur und Espita war von Liebe und Freiheiten geprägt. Auch wurde über Probleme hinweggesehen und viele Eigenheiten toleriert, anstatt – wie es richtig gewesen wäre – über sie gesprochen.[93] Die Schwierigkeit mit dem neuen Selbstbild der Espita blieb unausgesprochen (was, wie wir noch sehen werden, schlecht für die Beziehung ist), wie auch die Ängste Nedsurs, Espita zu verlieren, wie sie gewonnen wurde.

Als eines Abends Espita alleine ausging, überkamen sie ihre Angst und der Alkohol, und sie musste sich mit einem anderen Menschen vergnügen. Es war keine Leidenschaft, es war nicht einmal ein großes Vergnügen, doch brach sie sich und ihrer Freiheit Bahn und übertrat die Grenzen ihrer konventionellen Beziehung. Sie war untreu geworden. Während sie in den folgenden Tagen darüber grübelte, ob sie beichten sollte oder nicht, war sie sich allerdings sicher, dass sie vorerst keinen Ausflug oder Ausbruch dieser Art mehr bräuchte. Es gab keinen rationalen Grund, daran zu zweifeln, dass sie frei war, wenn sie es wollte. Sie war frei und war sich sicher, dass sie sich frei dazu entschieden hat, mit Nedsur zusammen zu sein – nicht nur für einige Zeit.

Wie schon an den Kennedys zu sehen war, spielt bei der Frage des Verschweigens oder Beichtens eine große Rolle, was die Folge sein würde. Was nützt es und was schadet es? Das Beichten hat die Kraft, sich selbst mehr der Liaison zu verschreiben, da man innere Hindernisse überwinden und die Kraft zur schmerzvollen Ehrlichkeit aufbringen muss. Man bindet sich weniger an eine Beziehung, wenn man unehrlich ist und durch die Unehrlichkeit innere Barrieren zwischen sich und dem Partner aufbaut. Die Beziehung leidet so unter dem Verschweigen. Die Beichte hat jedoch auch das Potenzial besser gemeint zu sein, als sie tatsächlich ist.

Die Empfängerin einer Beichte kann möglicherweise erst dadurch aus der Naivität der ewigen Treue herausgerissen werden und erst durch die Beichte die Realität kennenlernen. Wenn sie vor der Beichte noch ohne Zweifel in und an der Beziehung gearbeitet hatte, kann es sein, dass sie nach einer Beichte illusionslos die Augen offenhält und vielleicht nicht mehr mit ganzem Herzen bei dem Partner ist.

Espita entschied sich für den Weg der Beichte und wollte der Beziehung die Qualität der Ehrlichkeit und Offenheit erhalten. Sie war mutig und begann das Gespräch für Nedsur und sich selbst. Was an Negativen nach einer Beichte zu erwarten war, traf ein. Die Beziehung verschlechterte sich. Nedsurs Worten nach wurde verzeihen und vergessen, doch natürlich war das Thema nicht erledigt – es wurde bloß darüber geschwiegen. Nedsur war nicht mehr vollkommen bei der Beziehung, doch er wollte sie vorerst weiterführen, da eine Beziehung leichter zu erhalten ist, als neu aufgebaut. Er meinte, er könnte die Beziehung fortführen bis exakt zu dem Punkt hin, an dem diese Liebschaft tatsächlich in der Summe ein negatives Geschäft für ihn war. Ganz, als wenn eine Geschichte filmisch zu Ende erzählt ist, aber noch eine Fortsetzung gedreht wird, da noch Geld damit zu verdienen ist.

Fremdgehen oder auch jedes andere Problem, so es von beiden Partnern einem einzigen zugeordnet wird, ist zu verzeihen, wenn die von diesem Problem getrübte Liebelei noch einen Nutzen hat. Es ist nämlich stets zu bedenken, dass man Nützliches nicht einfach wegwerfen sollte, wenn das Wegwerfen irreversibel ist, aber man es nicht leicht ersetzen kann.

Ein Unterschied muss infolgedessen, wie es nun kaum schwerlich zu übersehen ist, getan werden zwischen dem Verzeihen nach außen hin und nach innen hin. Der Schein des aufrichtigen Vergebens eines der Liebe verfallenen – aber verletzten – Partners verfehlt seine Wirkung kaum. Es ist eine Waffe unter Liebenden. Nach innen gebietet dagegen natürlich die weise Voraussicht, gewappnet zu sein und sich umzuschauen: Was bietet Fortuna an, welche Menschen zeigen Interesse, wie wird man bewertet? Dies muss bedacht werden, da Fortuna nicht nur einem selbst gelegentlich Möglichkeiten mit anderen Menschen bietet, sondern auch dem Partner. Versuchungen warten auf (fast) alle Menschen gleichermaßen. Während die Beziehung aufrecht erhalten wird, ist es möglich, einen Absprung zu finden, oder aber bloß Bestätigungen für die eigene Person zu erhalten. Doch habe ich nun schon ein warnendes Beispiel geliefert: Es kann süchtig machen!

Einen Tipp bietet die Empirie dazu: Ohne den Mut, den Drang zum Wagnis, zu versuchen, mit anderen Menschen eine sexuelle Beziehung einzugehen, geht man Beziehungen aus dem Weg. Wer nicht wagt, verliert. Wer jedoch Mut beweist, scheitert gelegentlich schmerzhaft. Damit ist zurechtzukommen und dann wartet der Erfolg.[94] Wer nicht spielt, gewinnt nicht; und wer spielt, kann auch verlieren; doch gewinnen kann nur ein Spieler.

Vom Streit unter Eheleuten

Streitereien sind normal zwischen Männern und Frauen, und je stärker die Bindung zwischen ihnen, desto mehr Streit ist zu erwarten. So wusste Nietzsche, der mit Lou Andreas-Salomé, welche er erfolglos begehrte, viel Zeit verbringen konnte: »Sie ist das intelligenteste aller Weiber. Alle fünf Tage haben wir eine kleine Tragödienszene. – Alles was ich Ihnen über sie schrieb, ist Unsinn, wahrscheinlich auch das, was ich eben schrieb.«[95]

Streitereien sind normal, so ist es leider auch der (zumeist männliche) Versuch, ihnen aus dem Weg zu gehen. Doch sei es nun allen gesagt: Man wendet keinen Streit ab durch Schweigen, sondern man verschiebt ihn bloß zum eigenen Nachteil. Nicht selten folgt eine schlaflose Nacht, Fremdgehen oder ein Beziehungsende. Jeder Konflikt zwischen zwei Partnern muss verbalisiert werden. Er muss gelöst werden. Beziehungen sind Arbeit.[96]

Es gibt nur ganz wenige Fälle, die wie folgt aussehen: Ruos Pansol und Tsog Hunger sind seit wohl etwa 22 Jahren (NZ) verheiratet. Sie sind Eltern der beiden Männer Reosir Somhai und Geas Frosin, von denen ich Euch schon berichtet habe. Weder Pansol noch Hunger stellen ihre Beziehung noch infrage. Sie sind praktisch schon eine halbe Ewigkeit verheiratet. Sie kommen aus einer anderen Generation und scheinen beide aufrichtig daran zu glauben, dass diese Beziehung auch bis zum Tod geht. Noch heute gibt es sicherlich Menschen, die glauben, eine Beziehung könnte nur funktionieren, wenn ein Geschlecht, oder eben ein Mensch unterdrückt bzw. dominiert wird. Dabei geht der eine Partner keinem Streit aus dem Weg, solange es für ihn um Probleme geht, die der andere Partner zu lösen hat, während kein Problem ernstgenommen (oder angesprochen) wird, bei dem sein Mitwirken gefragt sein könnte.

So gibt es in dieser Beziehung kein Problem, welches nur Tsog Hunger betrifft, da sie immer schweigt. Sie erduldet alles, was sie stört. Dabei fördert sie die Beziehung natürlich nicht – wie auch ihre Lebensqualität –, aber sie ist es gewohnt, dass sie mit Pansol lebt und die Probleme erduldet. Sie hat offensichtlich diese Stärke. Würde Pansol versuchen, zu schweigen, und nicht mehr mit Hunger zu schimpfen, würde er ebenso wenig die Beziehung fördern, jedoch mit einem Unterschied: Da er mit den Problemen nicht umgehen kann, wenn er sie nicht anspricht, wäre die Beziehung eher gefährdet.

Es gibt Beziehungen zwischen Dominanten und weniger Dominanten, die besser funktionieren mögen als Beziehungen zwischen zwei gleich Dominanten – die Anthropologin Helen Fisher sieht darin sogar einen besonders starken Typ von Beziehung, der auf zwei bestimmte Arten von hormonell veranlagten Menschen baut.[97] Doch bedeutet das noch nicht, dass man auch heutzutage Menschen findet, die eine einseitige Streitkultur haben und doch lange eine Beziehung führen.

Wie Mathematiker und Psychologen zusammen zeigten, sind Beziehungen besonders erfolgreich – d.h. lange zusammen, und freiwillig (wie man in unseren Zeiten und in unseren Breiten annehmen dürfen sollte) –, in denen es eine besonders niedrige Negativitätsschwelle gibt. Eine hohe Negativitätsschwelle bedeutet, dass Partner stillschweigend viele Kompromisse eingehen und viel dulden. Eine niedrige Negativitätsschwelle bedeutet, dass schon wegen Kleinigkeiten Streitereien beginnen. Es geht in Beziehungen zwar um Kompromisse, Verständnis und Akzeptanz des anderen, doch ist es wichtig, dem Partner nicht nur still zu erlauben, nervig zu sein oder dies und das zu vergessen, sondern eben darum, über Probleme zu kommunizieren und permanent an Schwierigkeiten in der Beziehung zu arbeiten. Es muss sich beklagt werden und es müssen eben auch kleinere Dinge zum Thema gemacht werden, wenn sie verbessert werden sollen. Es muss eben auch Ärger geben. Nur, wenn man ständig an der Beziehung arbeitet, kann man sie verbessern. Dazu muss natürlich auch positiv gestritten werden, man muss konstruktiv streiten, offen und positiv bleiben.[98]

Eine Beziehung ist Arbeit. Streit gehört dazu und will man ihn vermeiden, so wird er noch schlimmer.

»Gibt es denn keinen Streit, der zu vermeiden ist?«, könnte man sich nun fragen. Natürlich gibt es Streitereien, die man vermeiden kann – und klugerweise muss. Das immer dramatischer werdende Problem der Körperbilder und der Vorbilder rückt – mittlerweile bei allen Geschlechtern – die Frage nach dem eigenen Dicksein immer mehr in den Alltag vieler Beziehungen. Doch macht es da Sinn, Streit auszulösen? Potenzial ist da. Man muss bloß sagen, für wie dick man den Partner hält – ehrlicherweise vielleicht sogar. Doch ist das wirklich ein Streit, der so oder so kommt? Die kluge Zunge weiß einen solchen Streit zu vermeiden – selbst wenn Alkohol sie lockert. Der nüchterne Kopf weiß, dass andere Körperteile dies – auch in einer längeren Beziehung noch – zu danken wissen.

Ebenfalls unklug ist – da aussichtslos ab einem gewissen Alter – es, den Partner ändern zu wollen. Sagenhaft gescheitert sind schon viele couragierte Versuche, den Partner zu ändern. Sicher kauft man gelegentlich die Katze im Sack, doch weiß man nicht selten schon zuvor, was man erhält. Nedsur wusste, wie Espita ist. Rosa Luxemburg wusste, wie Leo Jogiches ist. Und ebenso wissen andere Menschen meist, wer ihr Partner ist. Man kann Menschen vielleicht hier und da anpassen, doch sollte man lieber nicht davon ausgehen. Es kann sich als hoffnungsloses Unterfangen herausstellen.

Oft wird empfohlen, zu versuchen, die Beziehung mit den Augen des Partners zu betrachten, um ihn und seine Sicht zu verstehen – letztendlich, um seine Interessen und Bedürfnisse besser zu verstehen und zu beachten. Man soll die Interessen des Partners besser einbeziehen. Doch im Allgemeinen ist das natürlich Unsinn. Man steckt nach wie vor einem Perspektivwechsel noch in der eigenen Haut. Die Interessen des Partners sind und bleiben seine Interessen, wie auch die eigenen Interessen schließlich auch die eigenen Interessen bleiben – besonders wenn es Richtung Beziehungsende geht. Das Ende ist unvermeidlich. Wenn man in der entscheidenden Phase zu viel an die Bedürfnisse des Partners denkt, vergisst man leicht die eigenen Interessen.

Doch ist es wichtig und mehr als interessant zu wissen, was die Interessen des Partners sind. Man muss den Partner verstehen. Man muss schließlich wissen, wie er wirklich die Beziehung einschätzt und welchen Grund zur Annahme er haben könnte, dass es zu Ende geht oder, dass die Beziehung für ihn mehr Arbeit als Nutzen ist. Man muss wissen, was der Partner in die Beziehung investiert, und was er daraus zieht. Geht es dem Partner gut in der Beziehung? Wie sieht er die Beziehung? Die Perspektive des Partners ist wichtig, ganz entscheidend natürlich. Man muss Informationen haben, um zu agieren. Wer sie nicht hat, muss reagieren – und ist im Nachteil.

Damit sind nun auch die Grundpfeiler gelegt, wie man das Ende einer Ehe durch gutes Streiten hinauszögert. Es ist sinnvoll, dies zu beachten, denn eine Beziehung kann angenehm sein, wenn man darunter leidet, alleine einschlafen zu müssen oder sich generell im Leben alleine fühlt. Eine Beziehung ist leichter zu halten als neu zu gewinnen – dabei hilft es, richtig zu streiten. Und: Eine Beziehung ist die beste Basis für das Suchen einer neuen Beziehung, da besonders Einsame oder Verzweifelte unattraktiv wirken.[99]

Der Ehepartner und das Ansehen des Anderen

Wirtschaftliche Mittel, Soziales und Gesundheit machen einen Menschen attraktiv. Dies strahlt über ihn selbst hinaus – das ist selbstverständlich in unserer Gesellschaft, sodass ich darauf für Euch nicht genauer einzugehen habe. Jedoch will ich ein Beispiel anführen, welches eindringlich zeigt, wie man es nicht macht:

In Georg Büchners Woyzeck hat der einfache Soldat Woyzeck eine Freundin, Marie. Zusammen haben sie ein uneheliches Kind. Woyzeck arbeitet hart, um Marie und das Kind zu versorgen: Er nimmt an fragwürdigen Experimenten des Dorfarztes teil und schadet dabei seiner physischen und psychischen Gesundheit. Er ernährt sich für die ärztlichen Studien nur von Erbsen[100] und wird dabei schizophren. Auch ist er für den Arzt nichts weiter als ein »interessanter Casus«[101], der brav an Experimenten teilnimmt und alles mit sich machen lässt. Auch rasiert er den Hauptmann, der sich über ihn lustig macht – wie der Arzt auch in aller Öffentlichkeit. Mit seiner Freundin Marie verläuft die Beziehung nicht besonders harmonisch. Zum einen scheint Marie ihm nicht besonders zugetan, zum anderen hat sie kein Verständnis für ihn und seine schwierige Lage. Dazu kommt, dass Woyzeck psychisch sehr labil ist und er glaubt, seine Marie wäre ihm untreu. Tatsächlich hat Marie Interesse am Tambourmajor. Und dieser Anführer der Trommler zeigt auch Interesse an Marie. Woyzeck leidet weiter Tag für Tag an den Experimenten des Arztes und an den Erniedrigungen von Arzt und Hauptmann – und dazu hört er Stimmen, die sonst niemand hört. Damit fördert er Maries Zuneigung zu ihm nicht besonders. Sie tanzt eines Tages mit dem Tambourmajor, was die klägliche Gestalt Woyzeck auch sieht. Darauf fordert dieser den Tambourmajor zu einer körperlichen Auseinandersetzung auf, bei der erwartungsgemäß Woyzeck verliert. Marie bereut, mit dem Tambourmajor getanzt zu haben, während Woyzeck Stimmen hört, die ihn dazu auffordern, Marie zu töten. Woyzeck kauft sich ein Messer und tötet sie.

Woyzeck hatte weder sich, noch Marie oder seiner sozialen Umwelt gezeigt (oder zeigen können), dass er eine Würde besitzt. Er nahm an Experimenten teil, die ihm geschadet hatten, er war arm und er wurde öffentlich gedemütigt. Zweifellos kann man (oder will man moralisch nicht) seine Freundin Marie nicht darauf reduzieren, dass sie so oberflächlich handelt oder denkt, allerdings hätte Woyzeck ihr Bild von ihm verbessert, wenn er diese gesundheitlichen, finanziellen oder sozialen Nachteile hätte vermeiden können. Womöglich hätte es schon gereicht, auf das Kind zu verzichten, da dies finanzielle Lasten mit sich bringt.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Menschen, die als Frauen wahrgenommen und bezeichnet werden, sich Ansehen beim Ehegatten verschaffen durch Eigenschaften, die insbesondere bei Woyzeck nicht explizit vermisst wurden, da sie nicht gerade typisch für Männer gelten. Davon wird nun in den nächsten beiden Beispielen berichtet:

Kaum ein Zweiter schrieb über Frauen wie Goethe. Sie waren nicht bloß Geliebte, sondern Göttinnen oder Heilige mit märchenhafter Unschuld und übertrafen alles.[102]

Nachdem Goethe zwei Jahre in Italien verbracht hatte, begegnete der fast 40 Jahre alte Goethe im Weimarer Park der 23-jährigen Christiane Vulpius. Sie war ein höfliches junges Mädchen, das um Geld für ihren studierenden Bruder bitten wollte. Goethe hatte finanziell keinerlei Sorgen und hätte auch problemlos in Italien bleiben können als freier Künstler – und dabei Sorgen, die die Gesellschaft einer anderen Frau in Weimar ihm bereitete, aus dem Weg gehen können (davon wird später nochmals die Rede sein).[103] Im Vergleich zu den Kreisen, in denen er sich sonst bewegte, war Christiane Vulpius ungewöhnlich, was man unter anderem daran sieht, dass Vulpius in der Weimarer Gesellschaft nie ganz akzeptiert wurde – auch nicht, als sie mit Goethe verheiratet war. So hatte Goethe die anerkannte und bekannte Johanna Schopenhauer gebeten, für sie eine Lanze zu brechen und ihr zu gesellschaftlicher Akzeptanz zu verhelfen. Mit Johanna Schopenhauer verkehrte Goethe häufiger, sie schrieb selbst auch Bücher. Auch traf er ihren Sohn, den damals noch jungen Philosophen Arthur Schopenhauer, der ihn respektierte und den er selbst respektierte (Goethe traf nicht nur diese Größe seiner Zeit, sondern auch Schiller, Napoleon und Beethoven). Johanna Schopenhauer lud Christiane Vulpius zum Tee ein, wodurch Christiane sozial aufgewertet wurde. Dabei soll sie gesagt haben: »Wenn Goethe ihr seinen Namen gibt, werden wir ihr wohl eine Tasse Tee geben können.«[104]

Goethe war von Christiane schnell fasziniert: Sie hatte weibliche Rundungen und hatte »[d]unkle Locken, natürlich fallend, rote Wangen, offene Augen und eine unbefangene Ausstrahlung«.[105] Dass sie von einem niedrigen Stand war, störte ihn dabei nicht. Sie war natürlich und einfach und sie machte ihm das Leben angenehm. Goethe verlangte nicht, dass Christiane sich für ihn anpasste und sich verhielt wie die vermeintlich bessere Gesellschaft. Er wollte bloß sie, wie sie selbst war, ganz natürlich und liebevoll. Allerdings gehörte zu dem Wohlfühlheim, das Christiane ihm bot, eben auch, dass sie keine Probleme haben durfte, bzw. diese nicht äußern sollte. Für Goethe war der Nutzen seiner Christiane das Angenehme, Ruhige, Behagliche, Unbesorgte und die Geborgenheit. Er sah sie wie ein kleines Kind, mit dem er Sex hatte. Sie sprach und schrieb in einfachen Worten, häufig anders als die gebildete Gesellschaft Weimars (oder: Falsch), und äußerte sich lustvoll (»hasig«) in Briefen an Goethe über ihre sexuellen Bedürfnisse. Immer wieder drückte sie ihm aus, wie sehr sie sich auf ihn freute und auf den Herrn Schönfus, wie sie seinen Penis nannte.[106]

Das Ansehen, das Christiane Vulpius in der Gesellschaft nicht hatte, war für Goethe kein Problem, da er einen anderen Wert an ihr schätzte und brauchte: eine Wohlfühloase ohne Probleme.

Ähnliche Erfahrungen machte auch Otto von Bismarck, der große Politiker des 19. Jahrhunderts. Er hatte, was Frauen anging, ähnliche Anforderungen: Er brauchte einen Menschen, eine Frau, die zuhause alles richtete (wie auch Leo Jogiches), eine emotionale Bindung zu ihm pflegte und Geborgenheit bot. Bismarck hatte sie nicht geheiratet, um eine Gesellschaftsfrau für andere Menschen zu sein, sie sollte für ihn, nur für ihn optimal sein.[107] Als Bismarck 1851 Bundestagsgesandter wurde und damit einen großen Karriereschritt machte, war es nötig, dass er nach Frankfurt ging. Und er brauchte seine Frau Johanna (geborene von Puttkamer) nun in einer neuen Rolle. Er forderte von seiner Frau, die sich mit Mode nicht beschäftigen wollte, die keine höfischen Erfahrungen oder Kenntnisse hatte und die auch keine Solche werden wollte, eben diese Anpassung, die er einst von ihr nicht haben wollte.[108] »und Du, mein armes Kind, mußt steif und ehrbar im Salon sitzen, Excellenz heißen und mit Excellenzen klug und weise sein ... ich habe dich geheirathet, um Dich in Gott und nach dem Bedürfniß meines Herzens zu lieben [...]«[109] und abschirmen wollte er sie gegen alles Böse.[110] Johanna ordnete ihre Bedürfnisse regelmäßig unter, doch sie hatte einen starken Willen und weigerte sich beharrsam, sodass Bismarck schließlich aufgab. Ihr Weigern kam allerdings auch nicht völlig grundlos: Ursprünglich wollte Bismarck eine andere Frau heiraten, die ihm trotz starker Gefühle für ihn jedoch einen Korb gab, da sie schon verlobt war. Auch noch Jahre nach seiner Hochzeit mit Johanna sehnte er sich nach dieser Liebe. So also weigerte sie sich vielleicht aus diesem Grund, sich für ihn der Gesellschaft anzupassen.[111] Dieser standhaften Weigerung, sich anzupassen ist allerdings auch etwas abzugewinnen, wobei Bismarck das vermutlich leider nicht so sah.

Das Ansehen des Partners kann demnach über vieles im Inneren der Beziehung, wohl aber auch über die Gesellschaft gewonnen, wie auch verloren werden. Besonders aufpassen müssen hierbei allerdings bloß diejenigen, die nicht »freie Wahl, sondern politische, ökonomische Rücksichten, Zwang, Verzweiflung, Not, Dankbarkeit [...] [oder] nur körperliches Bedürfnis«[112] oder Ähnliches hatten, wenn nicht das Herz dabei war. Einem Mann rät so der Knigge: »Wähle also mit Vorsicht die Gefährtin Deines Lebens, wenn Deine künftige häusliche Glückseligkeit nicht Spiel des Zufalls sein soll!«[113] Es ist kein Grund denkbar, so meine ich Euch jedenfalls sagen zu müssen, warum dies nicht auch auf andere Menschen als Männer zutreffen sollte!

Über Freunde und Verwandte des Ehepartners

Von nicht geringer Wichtigkeit sind einem Gatten die Vertrauten der Partnerin: Ob sie gut und wohl geraten sind oder nicht, obliegt dem Gatten nicht zu beurteilen; er kann sie nicht wählen, wohl aber muss er mit ihnen zurechtkommen. Das fällt unter die Klugheit des Gemahles; es ist keine Frage der Sittlichkeit oder anderer Wesenszüge des Ehemanns. Wendet sich das Glück nicht völlig gegen den Ehemann, so ist es in seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten, sie sich zu eigen zu machen. Der Gatte muss nicht selbst sein größter Fürsprecher sein, es stünde ihm auch nicht gut zu Gesicht; ein kluger Ehegemahl macht sich mit Finesse die Vertrauten des Weibs zu seinen größten Advokaten, denn sie haben die größte Wirkung.

Wie man es unklug angeht, sieht man an Freud: In seiner langen Verlobungszeit verlangte er von seiner Künftigen nach und nach immer mehr, dass sie auf Abstand zu ihrem Bruder und ihrer Mutter ging. Sie sollte ihre Werte und ihre Meinungen nicht mehr vertreten, da sie voll und ganz zu Freud gehörte. Martha sollte die Beziehung zu ihrer Mutter abbrechen und auch ihren Bruder vergessen. Obwohl Marthas Mutter schon zuvor nicht zu den Fürsprechern Freuds gehörte und das Verlöbnis gerne beendet gesehen hätte, agierte Sigmund Freud nicht klug. Er bemühte sich nicht um den Schein, die Mutter zu mögen, er führte den Kampf gegen seine Schwiegermutter offen und ungeschickt. Er drängte, unerfahren wie er war, seine Martha in eine ungünstige und unangenehme Lage, in der vielleicht nicht wenige zusammengebrochen wären. Doch sie blieb stark und weigerte sich, die Beziehungen zu ihrer Familie abzubrechen.[114] Hier zeigte sich, dass Freud unerfahren im Umgang mit Frauen allgemein und mit Schwiegermüttern im Besonderen war.

Das Ansehen eines Ehepartners kann man sich ein Stück weit, wie wir schon gesehen haben, durch Dritte gewinnen, auch wenn das nicht unbedingt nötig ist, wenn Liebe und Zärtlichkeit eine Ehe trägt. Allerdings ist die Meinung der Verwandten nicht nur wichtig, um sich positiv Ansehen zu verschaffen, sondern auch, um negativ die Beziehung vor Schaden zu bewahren. Das Problem bei Verwandten von Ehepartnern ist, dass der Kontakt zu ihnen stets qualitativ und quantitativ hoch zu befürchten ist. Man muss davon ausgehen, dass man mit Schwiegereltern etc. über einen längeren Zeitraum zu tun hat.

Als der alte Gelehrte Faust in Goethes gleichnamiger Tragödie durch den Pakt mit dem Teufel dem 14-jährigen attraktiven Mädchen Gretchen erstmals ein Geschenk zukommen lässt, um ihr Herz zu gewinnen, hatte Gretchens Mutter das Geschenk an sich genommen und der Kirche überlassen, die dafür einen himmlischen, also postmortalen Lohn versprochen hatte. Damit hatte Faust schon Grund, schlecht über die Mutter seiner Angehimmelten zu denken. Gretchen und Faust kommen sich dennoch näher und küssen sich. Gretchen fragt sich, was der Gelehrte wohl von ihr will und in ihr sieht: »Bin doch ein arm unwissend Kind«[115]

Währenddessen sehnt sich Faust schon zurück in seine kühle Vernunft, fernab seiner Gefühle und Gelüste für Gretchen. Die Bedürfnisse sind Faust nicht ganz geheuer: »Und nenne nicht das schöne Weib! /bring die Begier zu ihrem süßen Leib / nicht wieder vor die halb verrückten Sinnen!«[116]

Doch natürlich geht die Entwicklung dieser Beziehung weiter: Um sich heimlich mit Gretchen treffen zu können, gibt Faust ihr ein Schlafmittel für ihre Mutter, damit er sie endlich mal nachts besuchen und »Brust an Brust und Seel in Seele drängen«[117] kann. Das Schlafmittel ist jedoch, wie später klar wird, tödlich und damit ist die störende Schwiegermutter endlich aus dem Weg. Schon bald ist Gretchen schwanger und sieht sich damit selbst als Sünderin, die Schande über ihre Familie gebracht hat. Ihr Bruder will darauf Faust umbringen, doch wird er von Faust im Duell mit Mephistos Hilfe erstochen.

Damit hat sich Faust aller nervigen und hinderlichen Verwandten entledigt und der Liebe ist nun nichts mehr im Weg. Er hat die Probleme erkannt und sie behoben, könnte man meinen und sich gedrungen sehen, Loblieder auf ihn anzustimmen. Doch leider endet eine Tragödie, diese erste schon gar nicht, kaum positiv. Gretchen ist nun verängstigt und verwirrt und tötet ihr Kind. Faust flieht mit Mephisto, dem sowieso nichts an ihr lag.

Mit Verwandten, auch mit Freunden, muss man zurechtkommen, sie aus dem Weg zu schaffen ist keine Lösung. Also muss man sich klug überlegen, wie man dies angeht.

Eine Beziehung zu Verwandten und Freunden muss natürlich keineswegs, sollte wohl auch nicht wegen der strategischen Probleme, viele delikate Situationen zu meistern, so weit gehen, wie sie in der familiären Umgebung der Euch nun schon bekannten Liuruxa Espita so oft zu sehen ist: Der Espita Vater, Geas Frosin, hat einen Bruder, den Reosir Somhai, welcher verheiratet ist mit der Nofne Botita. Botita und Somhai haben zusammen einen Sohn, Galu Botirn, welcher also Espitas Cousin väterlicherseits ist.

Doch, wie es uns aus Ehen bereits gelehrt wurde, verlaufen sie nicht selten schlecht. So sehnten sich, was ein vermeintlicher Fehler war, sowohl Botita als auch Somhai im Stillen, ohne Kenntnis des Ehegatten und entgegen ihrer einander weiterhin geschworenen Liebe und Treue nach Abwechslung – für Leib und Seele. Die Triebe sind hier nicht anzuklagen, denn: Die Triebe gehören zu den Grundübeln der menschlichen Existenz, sie machen diese beklagenswerte Existenz aus, sie ermöglichen das Leben, welches ohne Leid nicht zu denken ist; die Triebe sind als die Übel, welchen wir danken müssen, wenn wir das Leben lieben. Diese Triebe und Nöte führten Nofne Botita, jene im Vergleich zu ihrem Gatten sehr junge und optisch wahrlich attraktive Frau, in ein verhängnisvolles Techtelmechtel mit der bereits bekannten Asamwi, der Libena Asamwi, welche nicht bloß an der Zuffin AG beteiligt ist, sondern auch in einer tragenden Rolle dem Ex-Geliebten der Espita das Leben schenkte. Ganz gleich, von welcher Erotik und Faszination und von welchem Folgenreichtum es geprägt war; an dieser Stelle ist Puam Jorita von größerem Interesse – der Lektion wegen.

Puam Jorita, die Ex von Dyhoes Gerasa ist die Geliebte des Somhai, das wissen nicht wenige, so auch insgeheim Botita. Jorita versuchte, sich beliebt zu machen und Botitas Position einzunehmen. Sie ist noch einmal wesentlich jünger als die Ehefrau und hat ihm womöglich einiges an Reizen zu bieten. Noch immer ist sie allerdings nicht mehr als eine Geliebte – und wie ich aus dem Buschfunk – über meine Bekannte – Euch kann ich es verraten –, die Ossete Nedasa, erfuhr, wird sie kaum mehr werden, oder überhaupt Somhais Geliebte bleiben. Sie machte sich Somhais Verwandtschaft zu vertraut und näherte sich des Somhais und der Botitas Sohn, dem Galu Botirn, welcher von ähnlichem Alter ist. Sich die Verwandtschaft und Freunde des Gatten oder der Gattin zu eigenen Fürsprechern zu machen ist weise, doch mit ihnen auf diese Art zu verkehren ist nicht ratsam. Joritas Heiligtum fand nicht nur diese Fürsprecher, sondern noch weitere, doch will ich nicht weiter Stadtgespräch verbreiten, da das Extrem damit behandelt ist.

Kleinere Tipps sind zu befolgen, denn große, schnelle und einfache Lösungen sind sinnvollerweise zu ignorieren. Ein guter Ratschlag ist es, der Lebensgenossin Geschenke wie Theaterbesuche nicht vollkommen überraschend zu schenken. Eine Überraschung am Tag des Theaterbesuchs mit entsprechenden Karten wirkt sicher romantisch, doch verschenkt man dabei die Chance, doppelt von dieser eigenen Leistung zu profitieren. Was ist die Folge, wenn man der Partnerin Karten für einen Theaterbesuch oder Ähnliches schenkt? Im Idealfall freut sich die Partnerin gleich vierfach: Sie bemerkt, dass der Partner auch an sie denkt. Er zeigt idealerweise, dass er weiß, was ihr gefällt und dazu wird sie Freude am Theaterstück haben – assoziiert mit ihm. Und der vierte Nutzen ist dann der soziale, da sie den ihr wichtigen Mitmenschen davon berichten wird und dabei dann auch noch erfährt, wie toll er im Vergleich zu Partnern ihrer Freundinnen ist. Nur selten wird die Gattin auf eine Freundin stoßen, die just zu diesem Zeitpunkt auch eine Überraschung von ihrem Gemahl erfahren/erhalten hat.

Wenn man dagegen den Theaterbesuch nicht erst am Abend der Aufführung ankündigt, schon Wochen zuvor, dann verliert der Ehemann nichts an den oben genannten positiven und gewollten Effekten. Dagegen gewinnt er noch dazu, wenn er schon Wochen vorher die Ankündigung macht. Vorfreude bringt das Eheweib dazu, ihren Freundinnen davon zu berichten. Sie macht mehr positive Erfahrungen, die sie mit dem Ehemann assoziiert: Sie erzählt es anderen, sie erlebt es und erzählt danach nochmals anderen Menschen. Dabei steigt der Mann in ihrer Gunst mehrfach.

Es ist die Quantität, niemals die Qualität, wenn es um die Gunst der Mitmenschen geht. Viele positive Beiträge steigern das eigene Ansehen.

Kleine, aber regelmäßige (aber zeitlich unsystematisch wirkende!) Beiträge zum Ansehen unter Freunden und Verwandten sind die Lösung. Eine schnelle und einfache Lösung im Umgang mit möglicherweise störendem sozialen Ballast von Ehegatten ist impraktikabel. Sie sind und bleiben Arbeit: Wenn eine Beziehung nicht fakultativ erscheint, ist die Arbeit an Menschen des Partners obligatorisch.

Der Ehegatte und seine Mitstreiter

Nicht selten wirken andere Menschen kurzzeitig oder auch länger attraktiver als der Partner. Man sieht ihre Mängel oftmals weniger als die des Partners, Fremde zeigen sich von ihrer besten Seite und schmeicheln uns mehr als es im Alltag der Gatte oder die Gattin zustande bringt. Während Gatte oder Gattin vielleicht treu ehelichen Pflichten nachkommt, die im Alltag zur Gewohnheit verkommen erscheinen und wenig Würdigung erfahren, ist das neue Tolle in der Wirkung mächtiger. Neues erfährt immer mehr Aufmerksamkeit, das ist natürlich. So ist auch dem Woyzeck die Aufmerksamkeit Maries abhandengekommen, während sein täglich Leid weiterging. Das Neue, die Aufmerksamkeit des Tambourmajors, war mächtiger.[118]

Närrische Aufmerksamkeit des Eifersüchtigen und Kontrolle folgen der Eifersucht in der Regel. Doch diese Folgen haben keinerlei Nutzen. Sie erzeugen eine Last für beide Partner und dazu ist keine Überwachung so groß, als dass sie nicht hintergangen werden könnte.[119]

Nützlicher ist es, dem alten Spruch nach zu folgen: »Willst du was gelten, so mach dich selten.« Eine Beziehung lebt auch von Spannung. Das Bedürfnis nach einem Menschen lebt auch von der Spannung zwischen Hoffnung und Unsicherheit. Vom Anfang der guten Beziehungen konnte ich Euch schon zeigen, dass ein Mensch, der nicht immer verfügbar ist, aber Hoffnung auf mehr ausstrahlt, einen ungemeinen Reiz ausübt. Wer immerzu für alles verfügbar ist, bleibt reizlos.[120]

Natürlich darf man den Bogen nicht übermäßig spannen. Eine Beziehung benötigt immer einen Austausch von Gedanken. Man muss wissen um die Bedürfnisse des Anderen ...

Wie die Qualität jeder Beziehung zu messen ist

Goethe (1749–1832) hatte mit Casanova (1725–1798) nicht wenig gemein: Nicht nur lebten sie beide im 18. Jahrhundert zu einer Zeit, die von Namen wie Kant, Voltaire oder Friedrich II. geprägt war, sondern auch ihre vielen Erfahrungen mit Frauen haben sie gemein, obwohl Casanova deutlich früher als Goethe und dazu noch wesentlich mehr intime Erfahrungen mit anderen Menschen hatte. Wie schon Casanova mit seiner Signora F. – und wie idealtypisch jeder andere Mann auf dieser Welt – musste Goethe die Erfahrung machen, wie sich eine nicht aus Liebe mit einem anderen Mann verheiratete Frau trotz ihrer Zuneigung zu ihm souverän und unberührbar gibt und gerade genug Hoffnung macht, um ihn nicht völlig desillusioniert oder uninteressiert zu machen – und auch hier bereitet die souveräne, starke Dame dem Techtelmechtel ein Ende, nachdem der Dritte den Test der Treue nicht überstand und sexuellen Versuchungen andernorts erlag.[121]

Doch ist der Nutzen einer Beziehung, wie weit sie auch an emotionalen oder körperlichen Qualitäten gewonnen hat, nicht bloß von einem möglichen Eindringen des Mannes in der Dame Heiligtum geprägt, sondern es sind noch vielerlei andere Glücksquellen denkbar: Falls der raue Wind des Lebens mal stark bläst und man daran zu brechen droht, so mag ein Lebengefährte, ewig gebunden durch Liebe – oder einen Ring – körperlich oder emotional auffangen, was alleine zum Scheitern verurteilt sein könnte. Auch mag es so manchen anderen Nutzen geben, der einer Beziehung Qualität geben kann, wie man in Europa nicht ohne Grund einst Ehen arrangierte oder nach guten Partien Ausschau hielt, anstatt sich auf Gefühlsduselei zu verlassen. Das gesellschaftliche Leben, Politik und Ökonomie setzen oft inhumane Rahmenbedingungen, welche leider meist als objektiv und nicht zu hinterfragen wahrgenommen werden und dem in sie hineingeborenen Individuum ein Leben vorprägen, welches wir noch heute vom Ende des 20. Jahrhunderts kennen.

Doch soll für unsere Zwecke die Qualität einer Beziehung nun etwas anderes sein als dies und auch etwas anderes als die Stärke des Zusammenlebens und der emotionalen Bindung. Ratschläge und äsopische Eingebungen dazu finden sich zur Genüge in anderen Schriften. Dem rationalen Individuum sollen diese dienen.

Zurück nun zu Goethe, denn bei ihm und seiner Beziehung zu Charlotte von Stein ist zu sehen, von welcher Qualität auch eine von Qualen geprägte Beziehung sein kann.

Als Goethe 1775 in Weimar ankam, um dem jungen Herzog und Bewunderer Karl August seinen Hof und seine Stadt zu bereichern, wie sich auch dessen Großonkel Friedrich II. mit großen Namen an seinem Hof schmückte, war er schon ein bekannter Dichter aus dem aufstrebenden Bürgertum. Durch Die Leiden des jungen Werther war er schon europaweit bekannt geworden. In Weimar lernte er, noch lange bevor er die einfache Christiane Vulpius traf, Charlotte von Stein kennen. Diese war einige Jahre älter, standesgemäß verheiratet und bereits mehrfache Mutter.

Es dauerte nicht lange, bis er von ihr angetan war. Er machte ähnliche Erfahrungen wie Casanova mit seiner Signora F. Sie war die älter und disziplinierter. Sie konnte sich zurückhalten und Goethe erst einmal richtig kennenlernen. Er klagte immer wieder, dass er sie begehrte und sie nicht besitzen könnte, schrieb ihr zahllose Briefe und Gedichte. Er litt. Sie verweigerte sich ihm und doch war sie ihm emotional nah und er bedeutete ihr auch viel. Zu Goethes Glück oder Leid war Charlottes Ehemann, der Oberstallmeister Baron Josias von Stein, viel unterwegs und war selten in Weimar, wobei dafür eine beeindruckend hohe Anzahl an Geburten zustande kam. Auch war Charlottes Ehemann des Öfteren in Frankfurt, bei Goethes Eltern, während dieser sich Hoffnungen bei seiner Ehefrau machte.[122]

Es ist davon auszugehen, dass Goethes Begehren bei Charlotte von Stein nicht zu einem Eindringen in ihr Heiligtum führte, sodass, grob gesagt, der Nutzen dieser emotionalen Beziehung zunächst als nicht hoch eingeschätzt werden kann. Er musste schließlich viel leiden. Doch gab es für Goethe einen großen Nutzen. Diese Beziehung war besonders – und zwar nicht einfach als eine besondere Erinnerung oder Erfahrung für seine späteren Eroberungen (wie vielleicht erstmals mit 39 in Italien mit Faustina[123]). Von Stein half Goethe bei zweierlei: Zum einen wusste sie, wie man sich unter ihresgleichen zu verhalten hatte. Er war schließlich von niedrigerem Stand (bis er 1782 geadelt wurde) und wusste im Gegensatz zu ihr nur sehr wenig über höfische Umgangsformen und ähnliche Konventionen. Er brauchte Charlottes führende Hand, damit er hoffähig wurde.[124] Doch brauchte Goethe Charlottes Führung noch bei seinem eigenen Charakter: Er fand durch sie zu innerer Ruhe und wurde disziplinierter. Er nutzte seine Energie produktiver. Er lernte von der Lebenserfahrung und davon, dass sie ihm klare Grenzen setzte. Goethe wurde reifer durch Charlotte von Stein und lernte von ihr.[125]

Vom Beziehungsende

Vor dem Ende einer Beziehung

Zu den Grundprinzipien menschlichen Verhaltens sollte man in Gedanken kommen, um zu verstehen, wie man sich einem Beziehungsende nähern sollte.

Insbesondere die Ehe verhält sich im Grundsatz widersprüchlich zur Natur: Liebe ist vergänglich, während man von der Ehe die Ewigkeit fordert. Evolutionär war es nie nötig, eine Bindung zwischen zwei Menschen über die Dauer von Empfängnis bis zum Ende der gröbsten Kindheitsjahre hinaus zu erhalten. Logisch ist, dass der Nutzen einer natürliche, von Hormonen gesteuerten Beziehung ihr Ende nach etwa 7 Jahren findet, und der Blick in die Welt draußen oder die Erfahrung innen zeigen, dass das intensive Erleben schon nach Monaten oder gar Wochen ein Ende findet. Doch die Ehe verlangt mehr. Sie erhöht den Aufwand, voneinander zu scheiden durch Amt, Juristerei oder Glauben. Der Tod allein vermag es, dem Ideal nach, ein Ende zu bereiten.

Es scheint eine Ehe beispielsweise ganz klug geschlossen, wenn das Ende schon absehbar ist und man Pathos und dem Ende bereits in Sicht heiratet, wie es bei der Eheschließung zwischen Adolf Hitler und Eva Braun der Fall war. Es war eine Hochzeit einen Tag vor dem Doppelselbstmord, zum Zwecke alleine, nicht unverehelicht abzutreten. Die Ehe kurz vor dem Ende seines Lebens selbst war Hitler schon ein Ende: Meinte er doch, ein Führer könnte nie verheiratet sein, da das Menschliche an der Ehe sich nicht mit dem mythologisch aufgeladenen Begriff des Führers vertrug.[126] Soweit Hitler mit dem Ende seines Lebenszwecks durch die Ehe Recht hatte, so sehr lag er bei vielem daneben, eben auch bei dem Menschlichen an der Ehe.

Liebe ist weder hinreichend für eine gute Beziehung noch notwendig für eine Ehe. Und eine Ehe ist nicht nötig, ein Leben zu verschlechtern, doch hinreichend zu diesem Zwecke allemal. Dies ist die Realität, es ist kein Träumen; so wie ein weiser Mann weiß, dass das Glück des Wissens geschlagen wird vom Glücksgefühl der Annahme etwas zu wissen.[127]

Zum Verständnis der Grundsätze menschlichen Verhaltens mag nun auch das Studium des Gefangenendilemmas helfen. Es handelt sich dabei um ein theoretisches Spiel, welches in der Grundform einfach ist, aber in der Realität bei vielen Begebenheiten auf unterschiedlichsten Gebieten zu beobachten ist. Im Kern geht es dabei darum, wie sich zwei Menschen verhalten und wie gut ihr Verhalten für sich selbst ist, wobei das Verhalten des Mitmenschen oder Mitspielers das jeweils eigene Ergebnis mitbeeinflusst. Dies ist zu bedenken – und klug in die eigene Wahl der Handlungsoptionen einzukalkulieren.

Falls man sich entschließt, der Umwelt Gutes zu tun, so kann man auf das Auto verzichten und stattdessen Fahrrad, Bus oder Bahn nutzen. Die Umwelt profitiert davon ein klein wenig, doch dafür schwitzt man auf dem Rad oder erträgt volle Busse und Verspätungen. Wenn Mitmenschen trotz der Umweltbemühungen des Einzelnen mit ihren Autos fahren, so freuen sie sich über den Verzicht des Einen aufs Auto und haben dennoch den Luxus, ohne Schweiß oder Bahnverspätungen an ihre Ziele zu gelangen. Wenn alle Menschen Bus und Bahn fahren, so wird die Umwelt merklich geschont, doch hat dabei niemand den Komfort des Automobils. In einer Welt voller Bahnfahrern mit leeren Straßen, würde man nicht nur die saubere Umwelt genießen, sondern auch Komfort, wenn man als einziger Mensch auf das Auto umsteigen würde.[128]

Den Nutzen könnte man jetzt folgendermaßen quantifizieren: Wenn man Rad fährt, schont man die Umwelt und verzichtet auch Komfort (und Zeit). Fährt der Mitmensch auch Rad, so hat man einen Nutzen von 4, wie der Mitmensch. Fährt man nun stattdessen Auto, während der Mitmensch die Umwelt schützt, hat man einen höheren Nutzen von 5, während der Mitmensch alle Nachteile hat und bloß einen Nutzen von 2 hat.[129] Da dies auch umgekehrt gilt, scheint es nicht rational, Rad zu fahren. Fährt man mit dem Pkw, wie der Mitmensch, so ist der positive Nutzen beiderseits 3. Der Gesamtnutzen beträgt in der Welt der Autofahrer (mit ihrer hohen Gegenwartspräferenz) 6, während die Welt der Radfahrer einen Gesamtnutzen von 8 hervorbringt. Allerdings ist der Autofahrer in der Welt der Radfahrer der König.

B fährt Rad B fährt Auto
A fährt Rad A: 4, B: 4 A: 2, B: 5
A fährt Auto A: 5, B: 2 A: 3, B: 3

Im Original geht es, wie der Name verrät, um Gefangene. Dabei werden zwei Verhafteter getrennt verhört und haben keinerlei Möglichkeiten zur Kommunikation. Sie werden eines gemeinsames Verbrechens beschuldigt, wobei ihnen nur geringere Delikte ohne ein Geständnis nachgewiesen werden können. Jeder Gefangene steht von der Wahl: gestehen (mit der Staatsanwaltschaft kooperieren) oder schweigen. Dabei stehen folgende Zahlwerte für die Gefängnisjahre, die sie abhängig von ihrer eigenen Entscheidung und der, des anderen Gefangenen, erhalten:

A schweigt A gesteht
B schweigt A: 3, B: 3 A: 2, B: 5
B gesteht A: 5, B: 2 A: 4, B: 4

Auch hier führt der Anreiz jedes Einzelnen nicht zum besten Ergebnis der Gruppe als Ganzes. Schweigen beide, so ist die Summe beider Strafen 6 Jahre, wobei der Geständige, wenn er der alleinige Geständige ist, als Kronzeuge mit einer geringeren Strafe belohnt wird und an Stelle von 3 Jahren bloß 2 Jahre Gefängnis erhält. Da beide Gefangenen diese Möglichkeit haben, werden beide versucht sein, zu gestehen, da sie, unabhängig davon, was der andere macht, damit ihre beste Option wählen.

Man könnte nun meinen, wenn man das Gefangenendilemma und ein mögliches Beziehungsende in Zusammenhang bringen wollte, es verhielte sich so: Wenn beide Ehegatten zusammenbleiben und sich nicht auf eine Trennung vorbereiten, ist ihr Glück maximal. Keiner braucht zu fürchten, keiner braucht Vorbereitungen auf ein Ende zu treffen und sie bleiben zusammen bis ans Ende ihrer Tage. Es ist einsichtig für jedes noch so naives Gemüt, dass es individuell für einen Menschen besser ist, die Augen stets offen zu halten und auf dem Liebesmarkt Alternativen allzeit im Blick zu haben. Den eigenen Marktwert zu studieren schadet nicht, solange dies im Stillen geschieht. Falls eine Alternative zum aktuellen Gatten aufkreuzt und es lohnenswert erscheint, ist es ein einfacher Sprung vom noch seetauglichen alten Kahn auf ein neues Schiff. Ob der Ehepartner dies selbst ebenso praktiziert oder nicht – selbst ist man besser unterwegs, ist man denn für sich auf diesem Kurs.

Schließen würde man so auf einen positiven Nutzen entsprechend voriger Tabellen auf eine solche Situation:

B naiv B realistisch
A naiv A: 2, B: 2 A: 1, B: 5
A realistisch A: 5, B: 1 A: 3, B: 3

Damit trifft man auf eine Matrix, welche im Gegensatz zur klassischen Tafel des Gefangenendilemmas, was begrifflich in diesem Fall nicht schlecht zu passen scheint, bei der der Gesamtnutzen dort am höchsten ist, wohin es beide rationalen Eheleute verleiteten sollte. Dies mag für Verwunderung sorgen, wenn man nicht bedenkt, dass eine naive Einstellung beider nicht zu einer ewigen und glücklichen Ehe führt, sondern eben auch zu einem Ende. Das Ende ist gewiss, doch der Weg dahin darf gestaltet werden. Ein Ideal mag sein, offen und ehrlich beiderseits die realistische Strategie zu verfolgen, doch rational ist es nicht, die Möglichkeiten eines falschen Scheins ungenutzt zu lassen.[130]

Das gemeinsame Leben findet immer sein Ende, doch man bleibt zurück mit einem eigenen Leben. Dies gilt es zu gestalten.

In diesen Zeiten gestaltet es sich für viele einfacher, da ihnen ein eigener Container zukommt, der für ebensolche Fälle bestens geeignet ist. Man kommt mit einer eigenen Wohnung und man geht mit einer eigenen Wohnung. Man löst keine Haushalte auf beim Zusammenziehen und man muss keine neu aufbauen, sobald es auseinandergeht.

Auch wenn dies nun so viel einfacher für viele Menschleins ist, so muss es sich doch vorbereiten, will es kein schlechtes Ende haben. Ein Menschwesen muss agieren, da es sonst schlechter vorbereitet ist auf das eigene Leben danach, welches unvermeidlich kommt. Jedes muss stets einen Plan B haben für die schmerzvollen Erfahrungen, die kommen – und danach. Die schwierigste Phase kommt für es nämlich nicht selten nach dem Ende erst. Jedes, wirklich jedes, muss sich fragen: Was braucht eins, sobald es alleine ist? Braucht es Möbel, braucht es Hilfe bei Finanzen, braucht es neuen Zeitvertreib oder neue Mitmenschleins?

Als Vorbereitung mag es schon Sinn und Nutzen haben, vor der Beziehung selbst ein Back-up anzulegen. Einen Zweitort, geheim und eigen, damit der Schein nicht leidet, für Persönliches oder Wichtiges an Hausrat oder Finanzen. Gepackte Koffer sind sinnvoll, bloß dürfen sie nicht sichtbar sein. Denn sichtbar zeigen sie nur allzu leicht dem Partner, dass auch seinerseits Vorkehrungen zu treffen wären. Wer ungebunden wirkt, predigt Ungebundenheit.

Man muss sich nun aber in Acht nehmen vor Dichtern und Romantikern. Sie wollen oftmals täuschen mit einer schönen Welt, die es nicht gibt. Sie wollen häufig zeigen, wie stark Menschen zusammen sind und reden einer dauerhaften Vereinigung von Mann und Frau das Wort, die es in Wirklichkeit nicht gibt. So hat schon der Komödiendichter Aristophanes in seinem zeitaufwändigen Lustspiel Lysistrata[131] zeigen wollen, wie sehr Männer und Frauen zusammengehören, auch wenn ihre jeweiligen Interessen nicht immer dieselben sind. Als Athen und Sparta im Krieg miteinander stehen, sehen die Frauen beider Stadtstaaten, dass der Krieg bloß Ursache hat in Interessen von Männern. Frauen hätten diesen Krieg nie begonnen und nie geführt. Der Krieg hat für die Frauen keinen Sinn und erzeugt bloß Leid. Sie wollen also die Männer davon überzeugen, den Krieg zu beenden. Auf die Frauen hört jedoch kein Mann. So mussten sich die Frauen etwas Neues überlegen. Ihre Lösung war der Liebesentzug. Die Frauen Spartas und Athens quälten ihre Männer mit Lust und verweigerten sich ihnen, wie Katzen und Luchse.[132] Nur wenn ihre Gatten auf sie endlich hörten, wollten sie wieder lieb und zahm sein. Der Streit hielt an und schien unlösbar. Die Männer wollten Krieg führen und die Frauen verwehrten sich ihren Männern, um den Kriegswahn zu stoppen. Aristophanes lässt anstelle eines Deus ex Machina Alltägliches helfen, aus dieser verzwickten Lage herauszukommen. Ein kalter Wind und die scheinbar typische frauliche Eigenschaft der Fürsorge (siehe Assoziationen des Weiblichen in Von den unkonventionellen Beziehungen) entwirren die Lage, denn die Frauen eilen instinktiv herbei, um ihren im Wind frierenden Männern beim Anziehen ihres Obergewands zu helfen. Das große, rechteckige Tuch musste um die Körper der Männer gelegt werden und mit Spangen befestigt werden. Damit wollen die Frauen auch verhindern, dass ihre Männer sich erkälten und zeigen dabei die Fürsorge und Aufmerksamkeit, die auch Männer wie Goethe an ihren Frauen liebten und brauchten. Die Helden im Krieg brauchen im Alltag ihre Frauen. Kurz darauf kommen Bienen und bedrohen Frauen, und da eilen die Männer (in ihrer mit der Männlichkeit assoziierten Eigenschaft der Tapferkeit) herbei und vertreiben die Bienen und schützen ihre Frauen. Da zeigt sich, dass sie alle ihre Rollen im Leben ihre Partner zu spielen hatten und einander brauchten. Am Ende sind es göttliches Eingreifen oder glückliche Umstände und die Milde der Frauen, die die Beziehung retten und zusammenführen, was zusammengehört, trotz aller Probleme.

Gerade auf diese Dichter sollte man nicht hören, wie genügend Beispiele aus der Realität nun schon gezeigt wurden. Dies ist nämlich nicht mehr als schöne Poesie von Idealen der Tagträumer. Die Interessen von Menschen, in welcher Art von Liebesbeziehung auch immer, sind nicht dauerhaft vereinbar. Das erkennt der (geistig) Wache!

Man muss eine Beziehung sehen als das, was sie ist: eine endliche Zeit zu zweit, voller Liebe und Leidenschaft, doch eben mit einem Ende. Diese realistische Perspektive gewann auch Casanova nach einigen schmerzhaften Erfahrungen. Er war nach seinen ersten Abenteuern, in die er sich noch voller Naivität hineingeschmissen hatte, ein Realist, aber kein Unmensch. Er genoss die Liebe und die Leidenschaft. Er lebte für die Zuneigung einer Gespielin und genoss den Weg zur Körperlichkeit dieser Liebe. Er war ein charmanter Genießer, dem auch etwas an den Frauen lag. Er wollte nicht bloß in ihre Heiligkeit vordringen, sondern ihre Herzen gewinnen (davor!). Das Spiel der Versuchungen und die Welt der Gefühle gehörten für ihn zusammen und so lag ihm auch ihr Wohl über die Zeit ihres Vergnügens hinaus am Herzen. Nicht selten bemühte er sich um geeignete Gemahle für seine Liebschaften nach ihrer gemeinsamen Zeit. Casanova plante also nicht nur seinen Weg hinein durch das Begehren ins große Glück, sondern er plante auch seinen Austritt aus ihrem Leben. Er wollte Frauen nicht gekränkt oder gedemütigt zurücklassen, sondern sie ehren und sich fortbegeben im Wissen, dass er sie beglückt hat während des Aktes und auch für ihr weiteres Leben.[133] Auch aus diesem Grund wollte der katholische Casanova nur Geschlechtsverkehr mit Frauen mit einer freiwilligen und aufrichtigen Hingabe zu ihm, wobei Dirnen eine Ausnahme darstellten. Casanova wollte seine Geliebte immer in Ekstase versetzen, aber dafür nie die Mittel des Alkohols einsetzen oder gegen ihren Willen handeln.[134] Aber trotz oder gerade wegen dieser aufrichtigen Zuneigung den Frauen machte er sich keine Illusionen und wusste, wann es zu Ende ging, und managte es.

Nach dem Ende der Beziehung

Liebe oder andere Umstände können einen Menschen an einen anderen auf ewig gekettet haben, wie man es von der Ehe glaubt oder glauben mag. Wenn die Bande nun getrennt sind durch Schicksal, Untreue oder Leichtfertigkeit, so kommt es nicht selten vor, dass unedle Gefühle zurückbleiben. Diese können verleiten zu üblem Spiel mit dem vormals Geliebten. Der Knigge rät, niemals unedel zu handeln. Was ist dazu seine Begründung? Wer sich hinreißen lässt zu niedriger Rache, Briefe missbraucht (wovor auch schon Charlotte von Stein bei Goethe Angst hatte[135]) oder wer lästert, der handelt nicht edel und verdient Hass und Missachtung. Dagegen hat auch ein nicht besonders guter Ehegatte die Gunst eines Frauenzimmers verdient, wenn er verschwiegen und vorsichtig in Liebessachen ist.[136]

Welch eine Begründung? Euch, Lou, kann ich versichern, dass mir nichts mehr am Herzen lag, als Vertraulichkeit in Liebessachen, doch komme ich nicht umhin, Knigges guten Ratschlag von der wackligen und schwachen Säule seiner Begründung herunterzuwerfen und ein stabiles Fundament zu suchen für das Richtige oder eben für das, was meine Intuition von mir verlangt und vielleicht auch nach Knigge richtig ist:

Egoismus ist das einzige Fundament, was einen solchen Namen verdient. Man darf sich eines altruistischen Egoismus bedienen, doch bloß Normatives zu nennen, wem nützt dies? Warum also sollte man sich nun edel nach einem Beziehungsende verhalten, warum meine ich dies? Das ganze Leben ist voller Beziehungsenden. Von einem Beziehungsende zum nächsten verlaufen die Lebensjahre, nichts weiter macht das Leben aus, denn alles andere vergeht so schnell, als dass man es kaum bemerkt als in seinen Träumen von Vergangenem und Erhofftem. Wer nach einem Beziehungsende noch das Ende hinauszögert durch niedrige Rache, der widmet seine Gedanken, seinen Kopf und sein Herz noch immer dem Vergangenen, nicht dem Künftigen, nicht einmal dem Gegenwärtigem – auch nicht dem Möglichen. Man lässt zu, dass die Schatten der Vergangenheit den Pfad in der Gegenwart bestimmen. Man lässt nicht los und schaut in die Vergangenheit, in der nichts wartet als eine Mauer, denn es gibt keinen Weg zurück. Man muss sich dagegen umdrehen und nach vorne blicken. Dort wartet keine Mauer, an der man sehnsüchtig zu stehen hat, sondern es wartet ein Weg, der »steinig und schwer«[137] sein mag und dazu begangen werden muss, doch er geht weiter. Man bleibt gebunden, gefesselt. Es ist nicht nützlich, was in diesem Fall auch unedel erscheint.

Wer so grob frevelhaft handelt, der riskiert, dass andere Menschen ein schlechtes oder wenigstens unvorteilhaftes Bild sich machen von diesem unedlen Menschen. Davon sollte man absehen, da man sich auch so Möglichkeiten raubt. Menschen würden den Umgang mit einem sehr schwierigen, frevelhaften Menschen meiden oder vorsichtiger werden im Umgang mit ihm, sodass er kaum noch Möglichkeiten bekäme, frevelhaft zu sein. Wie wir von Immanuel Kant gelernt haben, verliert das Lügen an Nutzen, wenn jedermann weiß, dass alle Menschen lügen. Niemand wäre mehr in der Lage, anderen Menschen etwas vorzugeben. Es wäre vergeblich. In einer Welt, in der alle Menschen lügen, gibt es keine Versprechen mehr.[138] Doch daraus alleine folgt natürlich nicht notwendig, dass Lügen oder Frevelhaftes ohne Nutzen ist; es ist bloß gefährlich und kann schaden, wenn der Schein nicht stimmt.

Es gibt freilich noch einen anderen Grund, warum man egoistischerweise nach dem Beziehungsende nicht unedel werden sollte und Briefe des ehemaligen Partners oder (ehemaligen) Geliebten missbrauchen sollte: Das Bild, das man von sich selbst hat. Man kann wohl nur schwerlich sich täuschen, wie man andere Menschen täuschen kann. Das eigene Bild, das man sich schafft, haftet länger an und ist nur schwerlich zu ertragen, wenn es idealen Vorstellungen widerspricht. Darum schadet es, unedel zu sein.

Aufruf, sich zu befreien

Wenn ich nun alles bisher Gesagte erwäge, und bei mir selbst bedenke, ob hier zu Lande gegenwärtig die Zeiten danach gewesen sind, eine neue Braut zu Glück und Ehre zu bringen, und ob darin Stoff vorhanden war, der einer Klugen und Tüchtigen Gelegenheit gäbe, der Liebe zu frönen und sich doch alle Freiheit zu wahren, so ist mein Punkt schon längst evident.

Meine Argumente habe ich vorgebracht: Die Ehe ist kein Konstrukt für den Menschen dieser Tage. Ihr Ende ist nicht erst am Kommen, es kam schon, doch so viele hatten ihre Sinne nicht scharf; in den entscheidenden Stunden und Minuten waren sie nicht wach, sie waren nicht in der Realität. Sie hatten geträumt. Es ist eine schöne Illusion, der auch ich mich hingab, als ich noch ein Jüngling war. Ich hatte vom großen Glück gesprochen, während greise Männer meine Träume wegvernünftelten. Meine Ehrerbietung gegen das hohe Alter wurde nicht sehr getrübt vom Gefühl, Junge werden immer früher reif und früher klug, doch störten sich meine Träume von einem glücklichen Eheleben nicht an ihrer Weisheit und ihrem Vorsprung an Lebensjahren und -Erfahrung. Mit ihren Erfahrungen stets präsent schauten sie herab und wussten, dass auch mein Schicksal mir noch jene Erkenntnis parat hält, die sich nicht anders erlernen lässt als durch das Erfahren selbst. Doch hatte ich den letzten Schritt nie getan. Den Vorhof zur – Erkenntnis über die Ehe – hatte ich betreten, doch weiter musste ich nicht. Ich konnte erblicken, was zu sehen war, und ich sah, dass es genug war. Ich machte mir keine Illusionen mehr, ich musste es nicht.

Auch ist nun bereits von mir erwähnt, dass das menschliche Miteinander selbst zu Problemen führt. Man braucht keine Beziehungen eingehen zu erwählten Lustobjekten, um Schwierigkeiten zu erleiden. Das Leben bietet weitaus mehr Beziehungen und Arten von Mitmenschen. Über die Beziehungen, die die Natur als unser Vormund für uns eingeht, und die es zu pflegen gilt, kommt ein Mensch ohne das menschliche Miteinander kaum aus – so glücklich er auch ist. Gleichwohl sind Beziehungen zum Objekt von Lust und Liebe auch ohne Ring am Finger der größte Quell von Sorgen und Ärgernis. Man soll Gatten nicht von sich stoßen, muss die Sorgen und Probleme mitertragen und man ermüdet an Lastern, Leiden und Launen des Menschen, den man bis zum Tode für sich auserwählt hatte.

Doch gibt es gewiss keinen Weg zu Glorie, Ehrerbietung oder Wohlbehagen ohne Passion, Erregung und Enthusiasmus. Wozu lebt es sich von Tag zu Tag, müsstet Ihr mich zurecht fragen, wenn der Vernunft alleine unsere Entschließungen überantwortet würden? Ganz recht, weder von Gesellschaft oder Mitmenschen noch von der Vernunft selbst sollte man sich voll und ganz bestimmen lassen. Gebietet doch eigentlich selbst schon die Vernunft, mit derer Hilfe ich hier vorankomme, dass ein Maß an Unvernunft, ein Maß an Emotionen dem Glücke nicht gänzlich abträglich ist, sondern es womöglich erst schafft. So kann ich hier kaum der Advokat der reinen Enthaltsamkeit sein. Der Eheschließung jedoch, so gebietet mir die Vernunft, als Manifestation der von Freude unabhängigen ewigen Bindung kann ich nicht das Wort reden. Wer sich ewig bindet, der wird ein Leben lang gebunden sein – nicht nur an das Leben, sondern an ein ganz bestimmtes: Das Leben, das eine Braut führt, wenn sie von der Gefährtin zur Gemahlin geworden ist.

Nun seht Ihr also, wie ich keineswegs zu dererlei Geschlechtsfragen stehe, wie man es dem Präsidenten des FFE, Nytakas Suiger, nachsagt; ich kann mich dererlei Fragen nicht entziehen, wie auch eine Motte sich nicht der Affinität zum Licht entsagen kann. Ich bin nicht, wer er war oder ist, auch spreche ich seine Sprache nicht.[139] Es nützt nichts, zu lesen und zu philosophieren über die Liebe oder die Natur der Geschlechter; man kann sie niemals voll erfahren ohne sie zu erleben. So ist es gewiss auch mit dem Glück, welches mit Fortunas Hilfe auf den Pfaden der Liebe genossen werden kann wie nirgends sonst.

Die Affinität zum klaren Blick habt Ihr gewiss nicht verloren; dies zu behaupten, nichts läge mir ferner. Die Welt, die nun Eure ist, scheint voller grünstem Gras unter blauestem Himmel und voll des beinahe grell scheinenden Glücks. Die Welt, von der ich hingegen rede, ist kühl und bietet nur endliches Glück an, unser Glück wäre nicht ewig, es wäre von kurzer Dauer; die Farben, die ich einsetze, sind nicht grell, doch klar und für den weiten Blick zu gebrauchen.

Manchmal braucht es Mut, sich nicht zu trauen! Ergreift die richtige Sache mit großem Mut und sagt der falschen Hoffnung ab! Kehret zurück zur alten Einstellung der Eheunbedürftigkeit und lasset Euch nicht auf Emotionen zu tief tragen ins Reich der Unvernunft!


[1] Ihr zieht mich schon länger in den Abgrund der Liebe – jedoch ohne es zu wissen. Diese Liebe Eurem Wesen und Eurer Erscheinung kann ich mich kaum entziehen. Ich habe niemandem treu zu sein, doch gebietet schon die Vernunft, mich von Euch fernzuhalten, meine Gedanken bei mir zu halten und meinen Sinnen Freiheit vor Euch zu schenken. Es schien mir lange, als würden Mitmenschen bald aus ihrer Blindheit erwachen und sehen, dass Ihr ein Diamant seid, doch wären sie wohl noch immer so blöd, Euch maximal für einen ungeschliffenen Diamanten zu halten, bis Ihr Euch schminkt. Das, vielleicht das allein, würde mir helfen. Doch bis dahin muss ich weiter wollen, was ich nicht wollen will ... [2] Vgl. Faust I, 1323. [3] Wie man es auch von einem Philosophen fordern darf: Wer im Trüben argumentiert, dem ist nicht zu trauen. Nackt muss der Philosoph sein, wenn er spricht; und klar müssen seine Worte sein. [4] Nach Machiavelli: Der Fürst. Vorrede an Lorenzo de Piero de Medici. [5] Vgl. Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung. Zweiter Band. S.631. [6] Vgl. Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung. Zweiter Band. S.633. [7] Vgl. ebd. S.633. [8] Vgl. ebd. S.633 ff. [9] Vgl. Hermann, Ingo: Casanova. Der Mann hinter der Maske. Berlin 2010, S. 75ff. [10] Vgl. Freud, Sigmund: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. Nikol Verlag. Hamburg 2010, S. 27. [11] Vgl. ebd, S. 26. [12] Vgl. Freud, Sigmund: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. Nikol Verlag. Hamburg 2010, S. 30. [13] Vgl. ebd, S. 37. [14] Das Wesen, dem es an nichts mangelt als dem Mangel selbst. [15] Vgl. Gen 2.18 Lut. [16] Gen. 2.18 Lut. [17] Vgl. Gen 3.16 Lut. [18] Casanova: Geschichte meines Lebens. Band 2, S. 188. [19] Wobei ich die Namen unserer Zeit bevorzuge: Alle Freiheit den Eltern bei den Vornamen und das staatliche Roulette um Silben für den Vornamen. [20] Gyges nach Hdt. I,8-13, Abweichung bei der Nennung dieses Namens. [21] Man hätte den Blick noch nach Indien, in die Türkei oder überhaupt in die Welt hinauswerfen können, bloß war dies schon so weit zweckmäßig. Und ist es nicht mein Ziel zu zeigen, dass geschenkte (arrangierte) Beziehungen langfristig vielleicht sogar zu mehr Glück führen als eigenst hergestellte. [22] Vgl. Hermann, Ingo: Casanova. Der Mann hinter der Maske. Berlin 2010, S. 79f. [23] Vgl. ebd, S. 79f. [24] Vgl. Casanova: Geschichte meines Lebens. Band 2, S. 165. [25] Vgl. Casanova: Geschichte meines Lebens. Band 2, S. 174 ff. [26] Vgl. ebd, S. 177. [27] Ebd, S. 181. [28] Ebd, S. 191. [29] Nicht selten will das Herz eine monogame und ewige klassische Beziehung, während der Verstand die Wahrscheinlichkeiten rational berechnen kann. [30] Vgl. Mersch, Peter: Wozu gibt es Sexualität? Das Königsproblem der Evolutionsbiologie. 2012, S. 28. [31] Vgl. Dawkins, Richard: The Selfish Gene. Oxford 1976, S. 143. [32] Natürlich »tut« die Natur nichts. Doch eine Spezies, welche Gene in sich trägt, die die Varianz bei Merkmalsträgern, die die knappe Ressource darstellen, erhöht (= mehr Extreme/Abweichungen zulässt = experimentiert), stirbt schneller aus als eine solche, die mit knappen Ressource besser umgeht. [33] Vgl. Baumeister, Roy F.: Wozu sind Männer eigentlich überhaupt noch gut? Wie Kulturen davon profitieren Männer auszubeuten. Bern 2012, S. 43f. [34] Jones, Ernest: Leben und Werk von Sigmund Freud. Band I. 1856-1900. Übersetzt von Katherine Jones. Stuttgart 1982, S. 142. [35] Selbst in einer Welt, in der Staaten mittels Schulen immer mehr Erziehungsaufgaben übernehmen (müssen) und finanzielle Stützen über Kindergeld oder Ähnliches sind. [36] Vgl. Dawkins, Richard: The Selfish Gene. Oxford 1976, S. 149 ff. [37] Ebd, S. 153. [38] Vgl. OnisionSpeaks: Makeup vs No Makeup (12.12.2016). https://www.youtube.com/watch?v=u5jLtisoyxM; Vgl. Simon Desue: TOP 10 - STARS UNGESCHMINKT!!! Starbreak #9 (13.02.2014). https://www.youtube.com/watch?v=_jTlp74Dlu4 [39] Stellt sich vielleicht die Frage, welcher Art diese Männer sind. [40] Vgl. Vincent, Norah: Enthüllungen. Mein Jahr als Mann. Übersetzt von Bernhard Kleinschmidt. München 2007, S. 91. [41] Vgl. ebd, S. 129ff. [42] Vgl. Freud, Sigmund: Schriften über Liebe und Sexualität. Mit einer Einleitung von Reimut Reiche. Frankfurt 2000, S. 94f. [43] Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Reclam: Stuttgart 2001, S 14. [44] Ebd., S 87. [45] Ich bin glücklich, ehrlich bekennen zu können, dass ich Nytakas Suiger zustimme und es gut finde, die Farbe rot nicht mehr künstlich zu gebrauchen, wenn sie denn nicht mit Gefahr und Not zusammenhängt. Es ist mir schon aufgefallen, dass meine Sichtungen von Rot mich aufmerksam werden lassen und ich auf Gefahren vorbereitet bin, da ich rot besser wahrnehme - als man es aus alten Tagen hört. [46] Verzeiht mir meinen Stolz und mangelnde Demut: Ich musste nochmals vortragen, was ich gelernt: »Ist der Tag Null, Vier oder Neun,/ tun wir Arbeit und Mühen scheun./ Von Tag Eins bis zur Drei/ schaffen wir allerlei./ Auch von Fünf bis Sieben/ wird nicht liegen gebliebn./ Ist der Tag eine Acht,/ So wird Neues betracht.« [47] Mittlerweile nutze ich diese Abschiedsformel der neuen Zeit ganz vergnüglich, da mir die mitschwingenden grundsätzlichen Weisheiten über das Leben zusagen. (wie auch mir die Neuerungen des Nytakas hinsichtlich der Zeitsystems (epochal) oder der Arbeitsrythmen und -Aufteilung (genial) nicht missfallen können! [48] Brecht, Bertolt: Der kaukasische Kreidekreis. Frankfurt 1963, S. 65. [49] Ebd, S.69. [50] Vgl. Seidemann, Maria: Rosa Luxemburg und Leo Jogiches. Die Liebe in den Zeiten der Revolution. Berlin 1998, S. 125. [51] Vgl. ebd, S. 108. [52] Vgl. ebd, S. 124. [53] Vgl. ebd, S. 108. [54] Vgl. ebd, S. 19. [55] Vgl. ebd, S. 9. [56] Vgl. ebd, S. 12. [57] Vgl. ebd, S. 19. [58] Vgl. ebd, S. 22. [59] Vgl. ebd, S. 104. [60] Vgl. ebd, S. 105. [61] Vgl. ebd, S. 124f. [62] Das Alpha ist entsprechend der Beginn im Buch der Bücher. [63] Vgl. Ri 19,23-24 Lut [64] Vgl. Gen 19,4-11 Lut [65] Ri 19,22 Lut [66] Das lag wohl daran, dass zur Zeit von Adam und Eva, deren Kinder nicht mehr Möglichkeiten als Inzucht hatten, wenn sie sich fortpflanzen wollten, noch keine negativen Folgen bei Inzucht zu erwarten waren. Die Gene der ersten Generationen nach dieser göttlichen Schöpfung waren noch vollkommen erhaben. Heute ist die Inzucht aus göttlicher bzw. biblischer Perspektive vermutlich verboten, weil die Menschen nicht mehr so rein und unverdorben sind und ihre Gene nicht voller (rezessiv) vererbten Schädigungen sind. [67] Vgl. Gen 19,3 Lut. [68] Vgl. Knigge, Adolph: Über den Umgang mit Menschen. Hannover 1796. Herausgegeben von Karl-Heinz Göttert. Stuttgart: Reclam 2007, S. 142ff. [69] Vgl. Jones, Ernest: Leben und Werk von Sigmund Freud. Band I. 1856-1900. Übersetzt von Katherine Jones. Stuttgart 1982, S. 173f. [70] Vgl. ebd, S. 172. [71] Vgl. ebd, S. 185f. [72] Doch zweifellos steht fest: Wenn gesundheitlich im Kopfe bei den Eltern nicht viel suboptimal läuft, lieben sie ihr Kind, ganz gleich, wie nutzlos es ist. Und dazu: Kinder haben als Menschen an sich einen Selbstzweck – in gewisserweise. Sind sie glücklich, so ist ihr Lebensziel schon erreicht. Doch legt jeder Mensch seine eigenen Maßstäbe in die Welt und bestimmt eben so subjektiv, wie das optimale Zweibeinerleben auszustehen hat und wann ein Menschlein »normal« oder einigermaßen ausreichend »gebildet« ist. [73] Empfehlenswert dazu: Spitzer, Manfred: Digitale Demenz. Wie wir uns und unsere Kinder [74] Das sollte man nicht nur im Kontext der Beziehungen bedenken: Es sollte wohl nicht wenige Menschen auf diesem Planeten geben, die es es blanken Hohn wahrnehmen, wenn man meint, Menschen wären alle gleich mit denselben Rechten usw., da sie mit Bedürfnissen wie andere geboren wurden, jedoch nicht denselben Chancen, sie zu befriedigen. Ideale hin oder her - wenn Menschen benötigt werden zur Befriedigung von Bedürfnissen und diese noch so viel Humanität sich auf die Fahnen schreiben, am Ende ist es menschlich, wenn diese Menschen anderen Menschen nicht bei der Befriedigung ihrer Bedürfnisse helfen wollen, da ihre (sexuelle) Präferenz, ihr Gesundheits- oder Ästhetikempfinden dem im Wege steht. Auch will oder kann niemand befriedigt werden durch Menschen, die »helfen«, aber dies nicht wirklich wollen (können). Das menschliche Leben ist übel, doch mit etwas Pech wird ein solches Leben in ein beinahe unerträgliches Übel geboren. [75] Nach Machiavelli: Der Fürst. Kapitel XV [76] Vgl. Horkheimer an Adorno am 8.12.1936, zitiert nach: Rolf Wiggershaus, Die Frankfurter Schule, München/Wien 1986, 185. [77] Vgl. Nach Knigge: 2. Teil, 3. Kapitel, 6. [78] Vgl. Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Reclam: Stuttgart 2001, S 30. [79] Vgl. Nach Knigge: 2. Teil, 3. Kapitel, 9. [80] Zur Erinnerung: Wer es gar nicht erst versucht, kommt nie ans Ziel. Und unter vielen Frauen findet sich nicht selten eine »leichte Frau«. [81] Vgl. Casanova: Geschichte meines Lebens. Band 2, S. 191 ff. [82] Vgl. Freud, Sigmund: Schriften über Liebe und Sexualität. Mit einer Einleitung von Reimut Reiche. Frankfurt 2000, S. 94f. [83] Vgl. Grunenberg, Antonia: Hannah Arendt und Martin Heidegger. Geschichte einer Liebe. München 2006, S. 51. [84] Vgl. ebd, S. 95. [85] Vgl. ebd, S. 98. [86] Vgl. ebd, S. 96. (Dies ist auch mir in meiner Vergangenheit nicht gänzlich unbekannt – da habe auch ich einen Spiegel, in den ich blicken könnte.) [87] Dazu führt schon der Coolidge Effekt: Wachsender Überdruss dem immer gleichen Sexualpartner. [88] Nach Knigge: 2. Teil, 3. Kapitel, 7 [89] Anderson, Geraint: Cityboy: Geld, Sex und Drogen im Herzen des Londoner Finanzdistrikts. München 2010, S. 264. [90] Vgl. Taraborelli, Randy: Die Kennedys und ihre Frauen. München 2001, S.124f. [91] Vgl. ebd, S.126. [92] Vgl. ebd, S.128. [93] Vgl. Gottman et al.: The mathematics of love. 2005. [94] Vgl. Vincent, Norah: Enthüllungen. Mein Jahr als Mann. Übersetzt von Bernhard Kleinschmidt. München 2007, S. 129ff. [95] Nietzsche, Friedrich: Brief an Heinrich Köselitz alias Peter Gast vom 20. August 1882. In: Nietzsches Briefe. Ausgewählt und herausgegeben von Richard Dehler. Leipzig 1917, S. 254. [96] So wusste doch schon Schopenhauer, dass man in der Ehe – aber auch in einer gewöhnlichen, festeren Beziehung – Probleme verdoppelt und Freiheiten halbiert. Es ist Arbeit! [97] Vgl. Fisher, Helen: Die vier Typen der Liebe. Übersetzt von Elisabeth Liebl. München 2009. [98] Vgl. Gottman et al.: The mathematics of love. 2005. [99] Am besten ist es für einen Menschen, auf einer vorzeigbaren Yacht durch das Leben zu segeln und dabei von der Sicherheit dessen was man hat, hin und wieder mal die Füße in Wasser des Lebens baumeln zu lassen und den Kontakt nicht abbrechen zu lassen zum Leben. Wie hier in Annuki die Reichen die Sicherheit der Zivilisation genießen, und aus dieser Sicherheit heraus ab und zu mal die Stadt verlassen und bis an die Zähne bewaffnet mit Öko-Waffen kurz ins Freeland gehen und im Gebiet der Gesetzlosen ohne die Sorgen der Freelander Touristen sind und sich wie wilde Abenteurer fühlen dürfen. [100] Wie im Ernährungsexperiment im 19. Jahrhundert von Justus von Liebig, wo versucht wurde, herauszufinden, ob man tierisches Eiweiß durch Hülsenfrüchte ersetzen kann - und damit Kosten der Ernährung der Bevölkerung senken kann. Dabei wurden durch die hohen Mengen an Hülsenfrüchte tatsächlich die darin enthaltenen Nervengifte mit schweren Folgen (wie Schizophrenie) an Menschen verabreicht. [101] Büchner, Georg: Woyzeck. Herausgegeben von Burghard Dedner. Stuttgart 2007, S. 20. [102] Vgl. Appel, Sabine: Im Feengarten. Goethe und die Frauen. Stuttgart 1998, S. 9. [103] Vgl. ebd, S. 296ff. [104] Ebd, S. 399. [105] Ebd, S. 299. [106] Vgl. ebd, S. 337. [107] Vgl. Steinberg, Jonathan: Bismarck. Magier der Macht. Berlin 2012, S. 162. [108] Vgl. ebd, S. 161. [109] Bismarck an seine Frau, 14. Mai 1851, in GW, Bd. 14.1, S.211. Zitiert nach Steinberg, Jonathan: Bismarck. Magier der Macht. Berlin 2012, S. 162. [110] Vgl. Steinberg, Jonathan: Bismarck. Magier der Macht. Berlin 2012, S. 162. [111] Vgl. ebd, S. 162f. [112] Knigge, Adolph: Über den Umgang mit Menschen. Hannover 1796. Herausgegeben von Karl-Heinz Göttert. Stuttgart: Reclam 2007, S.158. [113] Ebd, S.158. [114] Vgl. Jones, Ernest: Leben und Werk von Sigmund Freud. Band I. 1856-1900. Übersetzt von Katherine Jones. Stuttgart 1982, S. 152f. [115] Faust 1: 3215. [116] Faust 1: 3327. [117] Faust 1: 3503. [118] Vgl. Knigge, Adolph: Über den Umgang mit Menschen. Hannover 1796. Herausgegeben von Karl-Heinz Göttert. Stuttgart: Reclam 2007, S. 164f. (Und wohl auch galt hier, dass Woyzeck alles immer recht machen wollte. Dabei gilt auch: Willst du gefallen, so bitte um Gefallen – weil sich der nette Mensch unbewusst einredet, dass ihm das Gegenüber etwas bedeutet.) [119] Vgl. Knigge, Adolph: Über den Umgang mit Menschen. Hannover 1796. Herausgegeben von Karl-Heinz Göttert. Stuttgart: Reclam 2007, S. 164. [120] Zur Erläuterung: Das gilt wohl zugleich für Männer wie für Frauen. Beide sind reizvoller im Spannungsfeld zwischen Hoffnung und Unsicherheit. Dass Frauen, die verfügbarer wirken, mehr Erfolg bei Männern zu haben scheinen, liegt daran, dass die niederen Bedürfnisse von ihnen möglicherweise mit einer größeren Wahrscheinlichkeit befriedigt werden. Doch auch die schwierige Frau ist reizvoller auf Dauer. Dagegen wirken Männer unattraktiv, je verfügbarer sie sind; wobei Frauen weniger Risiken eingehen zu wollen scheinen und daher keinen Mann anreden würden, der keinerlei positiven Signale von sich gibt. [121] Vgl. Appel, Sabine: Im Feengarten. Goethe und die Frauen. Stuttgart 1998, S. 124ff. [122] Vgl. Appel, Sabine: Im Feengarten. Goethe und die Frauen. Stuttgart 1998, S. 127. [123] Vgl. Kurt R. Eissler: Goethe. Eine psychoanalytische Studie 1775–1786. Deutscher Taschenbuch-Verlag. Band 2. München 1987, ISBN 3-423-04457-8, S. 1157. Zitiert nach Seite „Johann Wolfgang von Goethe“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 1. Mai 2017, 06:27 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Johann_Wolfgang_von_Goethe&oldid=165069312 (Abgerufen: 2. Mai 2017, 16:34 UTC) [124] Vgl. Appel, Sabine: Im Feengarten. Goethe und die Frauen. Stuttgart 1998, S. 129. [125] Vgl. ebd, S. 129f. [126] Vgl. Fest, Joachim C.: Hitler. Eine Biographie, Frankfurt 1973, S. 1016. [127] Da das Ziel allen Denkens das Beenden des Denkens ist, kommt das hohe Gefühl des Gedachthabens ohne das Denken aus und hinterfragt nicht. [128] Für ein Modell gehört es sich natürlich, stark zu vereinfachen. So gelten jetzt einige Annahmen, wie auch, dass in einer Welt voller ÖPNV-Kunden die Infrastruktur für den motorisierten Individualverkehr erhalten wird. [129] Den Fitness-Nutzen oder den psychischen Nutzen der Moral ausgeblendet - der Vereinfachung wegen. [130] Es handelt sich natürlich nicht um ein unendliches Spiel, doch diese weiteren Differenzierungen - wie auch mafiös anmutende post-mortale Bestrafungen vom Spielfeldrand - führen hier zu weit. [131] Die Frauenrollen wurden übrigens in der Zeit um 411 v.uZ. (AZ) auch von Männern gespielt. [132] Vgl. Lysistrata 1015 [133] Vgl. Hermann, Ingo: Casanova. Der Mann hinter der Maske. Berlin 2010, S. 70f. [134] Vgl. ebd, S. 79f. [135] Vgl. Appel, Sabine: Im Feengarten. Goethe und die Frauen. Stuttgart 1998, S.267f. [136] Vgl. Knigge, Adolph: Über den Umgang mit Menschen. Hannover 1796. Herausgegeben von Karl-Heinz Göttert. Stuttgart: Reclam 2007, S. 191. [137] Vgl. Xavier Naidoo: Dieser Weg. 2005. [138] Vgl. Kant: GMS, AA04: 403. [139] Obgleich ich ihr Sympathie entgegenbringe und für sie noch kämpfen werde.