Dankt mir doch nicht!

An alle Youtuber, Podcaster usw.: Dankt mir am Ende eurer Folgen nicht für den Konsum. Ich mache das nicht für euch! Genau das impliziert das Danken am Ende allerdings.

Es ist eine unsäglich nervige Marotte heutiger Medienschaffender, Beiträge mit einem "Vielen Dank fürs Zuschauen" zu beenden. Warum das gemacht wird und was gegen diese Praxis spricht, will ich kurz erläutern:

Was spricht dafür, Menschen für den Konsum der eigenen Produkte zu danken?

Generell wirkt es nett, wenn Menschen sich bedanken. Wenn ich etwas für einen anderen Menschen mache, erwarte ich sogar ein "Danke" von dieser Person. Das Bedanken ist eine Aufmerksamkeit, ein Signal der Anerkennung. Man zeigt, dass eine Leistung wahrgenommen wird und sie einem willkommen ist.

Dafür, Menschen für den Konsum der eigenen Produkte zu danken, spricht, dass sie ausdrücken wollen, wie glücklich sie über jeden einzelnen Aufruf in dieser Zeit des großen Wettbewerbs um die Aufmerksamkeit der Menschen sind. Da sprudeln Danksagungen schon von alleine inflationär heraus – verständlich.

Was spricht dagegen, Menschen für den Konsum der eigenen Produkte zu danken?

Eben genau das, was für das Danken spricht, und was ein Produkt ausmacht. Wenn ich ein Video schaue, dann ist die Motivation dafür eben nicht, dem Produzenten einen Gefallen zu erweisen. Entweder ich schaue das Video aus Eigeninteresse oder gar nicht. Der seltene Fall, dass ich mal für einen anderen Menschen ein von ihm produziertes Video schaue, ist mit dem persönlichen Kontakt zu diesem verknüpft. Und das Bedanken findet dann eben auch im persönlichen Kontakt statt. In den Videos, Podcasts usw. wird einfach der anonymen Masse gedankt, das allerdings in der Regel im Singular. Es wird (rationalerweise) eine persönliche Beziehung vorgetäuscht und dem Zuschauer gedankt.

Fazit

Das Bedanken für's Einschalten oder Zuschauen ist rational für den Produzenten oder Moderator. Es handelt sich allerdings um einen offensichtlichen Täuschungsversuch. Der Zuschauer weiß, dass zwischen ihm und dem Produzenten keine Bindung besteht. Und dieser weiß ebenso, dass der Zuschauer nicht aus reiner Nächstenliebe zuschaut, sondern, weil das Produkt hinreichend attraktiv für den Konsumenten ist. Was stört mich? Es ist die Unehrlichkeit. Ich frage meine Nachbarn auch nicht nach ihrem Wohlbefinden. Ich täusche keine falsche Nettigkeit vor, frage nicht, wie es ihnen geht, weil es mich eben nicht interessiert. Das mag weniger nett wirken, aber ist pure Ehrlichkeit. Falschheit ist die wahre Niederträchtigkeit.

Was sie anstelle von "Danke" sagen können, ist ein ehrlicher Ausdruck ihrer Freude über das große Publikum oder die Aufrufzahlen.

PS:

Wo kommen wir hin, wenn jeder Autor sein Buch noch mit Danksagungen schmücken muss? Für das Helfen bei der Produktion sind diese verständlich und eine dankbare Anerkennung, aber für die Konsumtion? Warum lese ich das Buch denn? Ist es so schlecht, dass ich kein eigenes Interesse habe, es zu lesen? Oder ist mein Motiv tatsächlich, dem Autoren, den ich doch nicht persönlich kenne, einen Gefallen zu erweisen? Und genügt es mir dann, dass dieser mir  und allen anderen in einem einzigen Akt im Voraus dankt? Mit Joschka Fischer antworte ich: "I am not convinced!"